BERTELSMANN Thomas Middelhoff geht - aber wohin?

Der Bertelsmann-Chef verlässt überraschend das Unternehmen und sorgt mit seinem Abgang für Spekulationen, wohin die Reise geht.

Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff hat am Sonntag wegen Differenzen über die künftige Strategie überraschend das Unternehmen verlassen. Sein Nachfolger an der Spitze des Medienriesen wurde der bisherige Vorstand Gunter Thielen. Grund für die Trennung seien unterschiedliche Auffassungen zwischen Middelhoff und dem Aufsichtsrat über die künftige Strategie der Bertelsmann AG sowie über die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, teilte Bertelsmann mit. Nach Informationen aus Branchenkreisen war vor allem der geplante Börsengang von Bertelsmann umstritten. Offiziell hieß es, es werde keine weiteren Erklärungen geben.

Angebot von AOL/Time Warner?

Zu Spekulationen über Middelhoff als neuen Vorstandsvorsitzenden bei der Deutschen Telekom berichtete die »Bild«-Zeitung am frühen Montagmorgen, dass es keine Angebot in diesem Zusammenhang gebe. Wie das Blatt unter Berufung auf engste Vertraute des Spitzenmanagers schrieb, soll Middelhoff über seine zukünftige berufliche Tätigkeit noch keinerlei Gespräche geführt haben. Alles andere sei reine Spekulation und entspreche nicht den Tatsachen. Middelhoff soll nach »Bild«-Informationen ein Angebot aus den USA vorliegen. Danach will ihn Steve Case zum Medienkonzern AOL/Time Warner holen.

Der »Berliner Kurier« hatte am Sonntag berichtete, Middelhoff solle neuer Chef der Deutschen Telekom werden. Telekom-Sprecher Ulrich Lissek sagte dazu: »An solchen Spekulationen beteiligen wir uns nicht.« Nach dem Abgang von Ron Sommer Mitte Juli steht kommissarisch der 72-jährige Ex-Aufsichtsratschef Helmut Sihler an der Spitze des Telekom-Konzerns. Es wurde wiederholt betont, dass als neuer Telekom-Chef ein erfahrener, dynamischer und international angesehener Manager gesucht werde.

Unter Middelhoff vom Familienunternehmen zum Medienriesen

Der 49-jährige Middelhoff war seit November 1998 Vorstandschef bei Bertelsmann. Er trieb konsequent den Ausbau des Familienunternehmens zu einem internationalen Medienriesen voran. In seine Zeit fielen die Übernahme der Mehrheit bei der RTL Group, die Übernahme des Verlags Random House sowie eine Partnerschaft mit dem weltgrößten Online- Dienst America Online (AOL). Eines seiner zentralen Projekte war der Gang an die Börse.

Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn hatte einen Börsengang lange Zeit ausgeschlossen, im vergangenen Jahr jedoch nach Überzeugungsarbeit Middelhoffs seinen Widerstand aufgegeben. Im Februar 2001 übernahm Bertelsmann in einem Tauschgeschäft die Mehrheit an der RTL Group von der belgisch-kanadischen Holding GBL. Diese erhielt im Gegenzug einen Anteil von 25,1 Prozent an Bertelsmann und das Recht, ihn in aus heutiger Sicht zwei bis drei Jahren an die Börse zu bringen.

»Gesellschafter und Aufsichtsrat der Bertelsmann AG sprechen Thomas Middelhoff für seine Leistungen Dank und Anerkennung aus«, teilte Bertelsmann mit. Zum Stellvertretenden Vorstandschef wurde der 57-jährige Finanzvorstand Siegfried Luther ernannt.

Thielen (59) hatte seit vergangenem Oktober bereits mehrere Schlüsselposten bei Bertelsmann inne. Er war zusätzlich zu seinem Vorstandsmandat Vorsitzender des Kuratoriums und des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung, sowie Vorsitzender der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), die in der Hauptversammlung 75 Prozent der Stimmrechte ausübt. Auf diesen Posten war er Mohn gefolgt. Seit 1985 trug er im Vorstand die Verantwortung für die Druck- und Industriebetriebe, die seit 1999 unter dem Namen Arvato firmieren.

Bertelsmann zählt zu den vier größten Medienunternehmen der Welt. Zum Konzern gehören gehören neben RTL und Random House der Verlag Gruner + Jahr sowie die Musiksparte BMG. Im vergangenen Jahr wurde ein Rekordergebnis von 4,16 Milliarden Euro erwirtschaftet, dass 2002 übertroffen werden soll. Der Umsatz liegt bei rund 20 Milliarden Euro. Wie Bertelsmann am Sonntag weiter mitteilte, sei das Ergebnis der operativen Geschäfte im ersten Halbjahr 2002 positiv und entspreche der Planung. Der Überschuss liege »auf erfreulicher Höhe«.