Defizit Neues Milliarden-Risiko für Rentenkasse

Das Finanzloch in den Rentenkassen ist noch größer als bisher bekannt: Der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst reißt zum Jahresende zusätzliche Lücken in die Kasse.

Das Finanzloch in den Rentenkassen ist noch größer als bisher bekannt. Eine Tarifklausel für den öffentlichen Dienst reißt zum Jahresende eine zusätzliche Lücke, die auf rund eine Milliarde Euro geschätzt wird. Das Sozialministerium bestätigte am Freitag in Berlin: "Da besteht ein Risiko." Die Größe des zusätzlichen Fehlbetrags sei aber noch nicht zu beziffern, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater. Er ist in der bisherigen Rentenschätzung, die bereits einen Fehlbetrag von bis zu vier Milliarden Euro ergeben hat, folglich auch noch nicht berücksichtigt, wie die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bestätigte.

Zeitpunkt der Überweisung verschoben

Hintergrund ist eine Bestimmung des im Januar ausgehandelten Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, wonach Löhne und Gehälter nicht mehr zum 15. überwiesen werden müssen, sondern optional auch zum Ende eines Monats gezahlt werden können. Wird die Möglichkeit genutzt, müssen die Sozialabgaben erst im Folgemonat beglichen werden. Zum Jahresende fehlt demnach der Dezemberbeitrag, der erst im Januar eintrifft. Das Loch klafft dauerhaft: Der hinausgeschobene Beitrag wird erst beim Rentenbeginn des Arbeitnehmers nachüberwiesen.

Verhalten der kommunalen Arbeitgeber offen

Noch sei völlig unklar, in wie weit die öffentlichen Arbeitgeber von der Möglichkeit der späteren Überweisung Gebrauch machen, sagte Ministeriumssprecher Vater. Deshalb sei die fehlende Summe nicht zu beziffern. Entscheidend sei das Verhalten der kommunalen Arbeitgeber. In Gewerkschaftskreisen hieß es, die finanziell angeschlagenen Kommunen würden nach jetzigem Stand die Sparmöglichkeit - die sich aus Zinsgewinnen auf die verzögert ausgezahlte Lohnsumme ergibt - flächendeckend nutzen. Betroffen seien rund 3,4 Millionen Beschäftigte. Hochgerechnet ergäbe sich diesen Angaben zufolge ein Fehlbetrag von etwa einer Milliarde Euro nur für die Rentenkasse. Auch bei der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung seien Löcher zu erwarten.

Neuer Bezahlmodus treibt Beitragssatz hoch

Auch CDU-Sozialexperte Andreas Storm bezifferte den geschätzten Fehlbetrag auf eine Milliarde Euro bei der Rente und etwa ebenso viel in den übrigen Sozialkassen. Damit würde allein der neue Gehaltszahlungsmodus den Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte in die Höhe treiben. Der Effekt einer etwaigen Verschiebung der Rentenanpassung 2004 wäre damit aufgefressen, so Storm. Das Problem sei sowohl bei den Tarifverhandlungen als auch später "weitgehend ausgeblendet" worden, hieß es in den Gewerkschaftskreisen. Die Klausel habe den Arbeitgebern den Tarifvertrag schmackhaft gemacht. Vater bezweifelte diese Auslegung. Hier seien Verträge zu Lasten der Sozialkassen gemacht worden.

Schätzerkreis soll Vorschlag machen

Die Bundesregierung will nach eigenen Angaben den derzeitigen Rentenbeitragssatz von 19,5 Prozent 2004 stabil halten. Wegen der Wirtschaftsflaute und deshalb geringerer Einnahmen fehlen dafür aber bisherigen Berechnungen der Rentenversicherungsträger zufolge mindestens vier Milliarden Euro. Weitere zwei Milliarden Euro soll Ministerin Ulla Schmidt zu Gunsten des Bundeshaushalts erbringen. Mitte Oktober errechnet der zuständige Schätzerkreis der Rentenversicherer eine neue Prognose. Dabei sollten die Schätzer einen Vorschlag machen, wie der Effekt des Tarifvertrags einbezogen werden könne, sagte Vater.

Mehrere Varianten um Fehlbetrag aufzutreiben

Danach will Schmidt erklären, wie sie die Fehlbeträge auftreiben möchte. Zur Debatte stehen neben der Verschiebung oder Aussetzung der Rentenerhöhung 2004, die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Rentner sowie eine erneute Absenkung der Schwankungsreserve.

DPA