Die Deutsche Börse AG hat ihr Übernahme-Angebot für die London Stock Exchange (LSE) am Sonntag überraschend zurückgezogen. Damit ist Börsen-Chef Werner Seifert zum zweiten Mal mit dem Versuch gescheitert, die britische Börse zu übernehmen.
Offerte zwei mal als zu niedrig zurückgewiesen
Die Entscheidung zum Rückzug des Angebots sei getroffen worden, nachdem die Führung der LSE keine Empfehlung für die Offerte im Volumen von rund zwei Milliarden Euro ausgesprochen habe, teilte die Deutsche Börse am Sonntag mit. Der Frankfurter Börsenkonzern hatte Mitte Dezember 530 Pence je LSE-Aktie geboten, die Offerte jedoch an eine Empfehlung des LSE-Boards gebunden. Die Londoner Börsenführung hatte die Offerte aber trotz hartnäckiger Verhandlungsbemühungen der Börse zwei Mal als zu niedrig zurückgewiesen. Außerdem hatte sich Hedge-Fonds im Aktionärskreis der Börse gegen den LSE-Kauf gewehrt.
Das Unternehmen hielt sich bei seiner Entscheidung am Sonntag jedoch ein Hintertürchen offen und will im Falle einer Offerte der Konkurrenz für die LSE wieder in den Bieterwettkampf einsteigen.
Analysten zeigen sich überrascht
Analysten zeigten sich in einer ersten Reaktion überrascht: "Der Druck auf das Management wird nun steigen, nach diversen Projekten mit limitiertem Erfolg. Die Frage ist nun: Wo soll das zukünftige Wachstum der Deutschen Börse herkommen?", sagte Martin Praum, Analyst bei Sal Oppenheim. Neben dem bereits vor fünf Jahren gescheiterten Versuch, die LSE zu kaufen, hatte der Frankfurter Konzern in den vergangenen Jahren auch vergeblich versucht, die Schweizer Börse und die Londoner Derivatebörse Liffe zu erwerben. Letztere war nach einem Bietergefecht an die Vierländerbörse Euronext gegangen, die derzeit ebenfalls mit der LSE in Kaufverhandlungen steht.
Die Euronext - bestehend aus den Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon - wollte sich am Sonntagabend nicht zum Rückzug der Deutschen Börse aus dem Geschehen äußern. "Für die LSE heißt es jetzt Farbe bekennen oder den Mund halten", hieß es dazu in mit dem Sachverhalt vertrauten Kreisen. Praum rechnet noch nicht unbedingt mit einem Ende der Fusionsgeschichte, in der die zweitgrößte Börse weltweit nach der New Yorker NYSE entstehende könnte: "Das Pokerspiel um die LSE ist aber noch nicht vorbei, die Börse hat sich schließlich ein Hintertürchen offen gehalten", sagte er.
Massiver Widerstand der eigenen Aktionäre
Anders als vor fünf Jahren, als vor allem der Widerstand der Londoner Finanzgemeinde die Fusion zum Scheitern verurteilte, hatte die Börse dieses Mal auch mit massivem Widerstand von eigenen Aktionären zu tun, der von Hedge-Fonds angeführt wurde. Diese fordern, dass die Börse ihre Barreserven in Millionen-Höhe an die Anteilseigner ausschüttet. Dazu teilte das Unternehmen nun mit, es werde gemeinsam mit den Aktionären ein Konzept entwickeln, Barmittel in signifikantem Umfang an die Aktionäre über die vorgeschlagene Dividende für das Jahr 2004 hinaus auszuzahlen.
Der im Widerstand federführende Hedge-Fonds TCI, der auch eine Ablösung des Managements der Börse gefordert hatte, wollte sich am Sonntag dazu nicht äußern. Während TCI selbst nur gut fünf Prozent des Kapitals der Börsen auf sich vereint, war zuletzt in Medienberichten immer wieder zu lesen gewesen, der Widerstand gegen die Übernahme habe mehr als 35 Prozent des Kapitals hinter sich.
Die anschwellende Opposition hatte den Kurs der Deutschen Börse in den vergangenen Wochen auf Rekordniveau steigen lassen, weil für den Fall eines Scheitern auf eine Ausschüttung der Barmittel an die Aktionäre spekuliert worden war. Einige Börsianer rechneten am Sonntagabend damit, dass die traditionell nur kurzfristig agierenden Hedge-Fonds in nächster Zeit ihre Anteile wieder verkaufen und den Kurs damit unter Druck setzen könnten.