Nach der Wirtschaftskrise von 2008 wurde die westliche Welt von einem bisher unbekannten Massenphänomen heimgesucht: Junge Menschen, die trotz guter Ausbildung finanziell nicht auf den eigenen Füßen stehen können, ziehen nach der Universität wieder zu ihren Eltern. In Mittelmeerländern ziehen die Jungen sogar teilweise zu Oma und Opa, um von deren Renten zu leben. In den USA wird der berufliche Fehlstart ins Leben häufig von hohen Uni-Schulden begleitet.
Die Eltern zahlen die Zeche
Wenn über die Heimkehrer berichtet wurde, dann meist aus der Perspektive der Millennials, denen ein großartiges Leben versprochen wurde und die sich dann enttäuscht in ihrem alten Kinderzimmer wiederfanden.
Doch vor allem anderen ruinieren sie das Leben ihrer Eltern. Die Studie der London School of Economics (LSE) über die "Bumerang-Generation" folgt dem Blickwinkel der Eltern, deren schöner Lebensabend abrupt von Kindern gestört wird, die ihr Leben nicht in den Griff bekommen.
"In den letzten fünfzig Jahren ist die Zahl der Mehrgenerationen-Wohnsitze in den westlichen Ländern drastisch zurückgegangen" heißt es in dem Papier "Returns home by children and changes in parents well-being in Europe". "Allerdings hat sich dieses Muster in jüngster Zeit geändert, und in einigen Ländern hat sich die Zahl der Mehrgenerationen-Haushalte erhöht. Eine Reaktion der Familie auf hohe Arbeitslosenquoten, schlechte Berufsaussichten und finanzielle Schwierigkeiten bei jungen Erwachsenen."
Rückgriff auf große Datenbasis
Dr. Marco Tosi und Prof. Emily Grundy stellten fest, dass es mit dem schönen Rentnerleben vorbei ist, wenn die Sprösslinge nach der Uni wieder zu Mutti und Papi ziehen. Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler Fälle in 17 Ländern. Die Forscher analysierten die Lebensqualitäts-Werte von 99.000 Eltern, die aus der Umfrage zu Gesundheit, Alter und Ruhestand in Europa (2007-2015) entnommen wurden. In den Daten fanden sie immerhin 1070 "Bumerang"-Haushalte.
Die Studie verlässt sich nicht auf Interviews und Selbsteinschätzung der Betroffenen, sondern misst die Lebensqualität anhand von zwölf Indikatoren. Faktoren, die das Gefühl der Selbstbestimmung, der Autonomie, der Lebensfreude und der Selbstverwirklichung im Alltag anzeigen.FS_Erben 10.30
So schlimm wie Invalidität
Das Ergebnis: Die Lebensqualitätspunktzahl sinkt um 0,8 Punkte, wenn ein Kind ins Haus zurückkehrt. Das ist ein massiver Rückgang. Dieser Wert wird auch erreicht, wenn altersbedingte Krankheiten die Mobilität stark einschränken oder sich Menschen ohne fremde Hilfe nicht mehr waschen und anziehen können. Einfach ausgedrückt: Das Kind im Haus drückt das Wohlbefinden der Eltern wie ein Leben im Rollstuhl.
Dieser Einbruch findet übrigens nur statt, wenn die Eltern eine Zeit lang allein lebten. Befanden sich noch andere, jüngere Kinder im Haushalt, hatte das Zurückkehren keinen negativen Effekt. "Wenn Kinder das Elternhaus verlassen, verbessern sich die ehelichen Beziehungen und die Eltern finden ein neues Gleichgewicht miteinander", sagte Tosi. "Viele genießen diese Lebensphase, finden neue Hobbys und Aktivitäten. Wenn erwachsene Kinder zurückkehren, wird dieses neue Gleichgewicht gestört."
Das Papier berücksichtigt auch, dass Faktoren wie Arbeitslosigkeit und der Zusammenbruch der Partnerschaft für die Eltern auch dann beunruhigend sind, wenn die Kinder nicht ins Haus zurückkehren. Doch selbst wenn man diese Stimmungsdämpfer herausrechnet, führt die bloße Rückkehr eines Kindes allein zu einer erheblichen Verschlechterung für die Eltern.
Unglückliche Lebensgemeinschaft
Tatsächlich wird das Leben durch die neue Wohnsituation massiv verändert. Eltern nehmen den Verlust an Privatsphäre deutlich wahr. Hinzu kommen Einschränkungen, weil die Heimkehrer nur selten einen vollen Beitrag zu ihrer neuen Wohngemeinschaft leisten, sondern direkt und indirekt auf das Einkommen der Senioren angewiesen sind. Statt in Kreuzfahrten wird erneut in den Nachwuchs investiert.
Die Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern wird von beiden Seiten als unglücklich wahrgenommen. Eine Mutter, deren 23-jährige Tochter wieder ins Elternhaus einzog, sagte dem "Guardian": "Ich mag meine Tochter gern um mich herum haben. Aber unsere Aufgabe als Eltern besteht darin, dass unsere Kinder unabhängig sind. Alles in meiner Psyche sagt, dass diese junge Frau selbstständig leben sollte. Und ich fühle, dass alles in ihrer Psyche sagt: "Ich sollte unabhängig leben"".
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