Die Wissenschaft ist durchaus angetan von dem Konstrukt, das sich die Politiker in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zur Rettung des Euro ausgedacht haben. "Die Gründung einer Zweckgesellschaft ist immerhin ein Zeichen der Entschlossenheit, die Währungsunion in ihrer Einheit und Integrität zu erhalten", sagt Peter-Christian Müller-Graff, Professor für Wirtschafts- und Europarecht an der Universität Heidelberg. In einem solchen Verbund zur Vergabe von Notkrediten an schwächelnde Mitgliedsstaaten könnten die Euro-Länder schneller und flexibler handeln, als es das Gemeinschaftsrecht ermögliche. Doch erst langsam zeichnet sich ab, wie dieses Vehikel aussehen und ob es schlagkräftig sein wird.
In einer dramatischen Nachtsitzung hatten die Finanzminister aller 27 EU-Mitglieder jüngst die Kommission damit beauftragt, die Verwaltung einer Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV) zu übernehmen, die von den Euro-Ländern für einen Zeitraum von drei Jahren gegründet werden soll.
Sollte ein Mitgliedsstaat wie Portugal oder Spanien in existenzielle finanzielle Schwierigkeiten geraten, kann sich die Zweckgesellschaft - etwa durch das Auflegen von Anleihen - das benötigte Geld beschaffen und an das kriselnde Land weiterleiten. Der Rettungsfonds, der Notkredite in Höhe von bis zu 440 Milliarden Euro vergeben soll, ist der größte Trumpf in dem Krisenpaket, das die Finanzminister geschnürt haben. Dazu kommen die EU-Kommission mit 60 Milliarden Euro und der Internationale Währungsfonds (IWF) mit 250 Milliarden Euro.
Wie der Feuerlöscher aussehen soll, ist noch völlig offen
Zurzeit basteln Juristen an der Rechtsform für den Feuerlöscherfonds. Das würde noch mindestens zwei bis drei Wochen dauern, hieß es in EU-Kreisen. Herauskommen kann dabei alles. "Von einer Aktiengesellschaft belgischen Rechts bis hin zu einer Art IWF ist alles möglich", sagt Müller-Graff. "Eine rechtlich separate Gesellschaft hat natürlich immer den Vorteil der Haftungsbeschränkung", meint Christoph Teichmann, der an der Universität Würzburg europäisches Gesellschaftsrecht lehrt. Nach den Plänen der EU-Finanzminister sollen die Euro-Länder keine eigenen bilateralen Kredite ausgeben, sondern für die Notfallgeldspritze lediglich in Höhe ihres Anteils bürgen, der sich an ihrer EZB-Quote orientiert.
Der Begriff der Zweckgesellschaft war 2008 und 2009 in Verruf geraten, als Banken im Zuge der Finanzkrise begannen, auf solche Gesellschaften faule Kredite auszulagern, um diese aus den Bilanzen heraushalten zu können. "Bad Bank" war der gängige Begriff für diese Zweckgesellschaften. Es sei zumindest eigenartig, dass die EU gerade diesen Begriff gewählt habe, da er keinen guten Ruf genieße, betonen Wirtschaftsanwälte.
Müller-Graff hält die Wortwahl jedoch allenfalls für politisch ungeschickt. Eine von der EU unabhängige Einrichtung zu bilden sei sinnvoll, weil der kleinere Währungsverbund einfacher entscheiden könnte als die Gruppe der 27. Zudem könnten sich die Euro-Länder die oft langwierigen Verfahrensregeln der EU sparen.
Gefunden in der ...
Die Rechtsform hat auch entscheidenden Einfluss auf das Rating von Euro-Anleihen, die von der Gesellschaft am Kapitalmarkt ausgegeben werden könnten. Derzeit stehen nach Angaben des Finanzdienstleisters Bloomberg EU-Bonds über 11,2 Milliarden Euro aus. Die Papiere bekamen bei den großen Ratingagenturen die Spitzenbewertung "AAA", da sie über den EU-Haushalt von allen 27 Ländern der Europäischen Union garantiert werden. Dies würde auch gelten, wenn sie die Kommission Geld für ihren 60-Millarden-Fonds beschafft . "Wenn die EU-Kommission Anleihen aufnimmt, um ihren Anteil von 60 Milliarden Euro zu finanzieren, werden diese Anleihen weiterhin eine Topnote von 'AAA' haben", sagte ein Sprecher der Ratingagentur Fitch. Ob die SPV ebenfalls Bestnoten bekommt, ist fraglich. Die Rating-Agenturen Fitch und Standard & Poor's teilten zwar mit, für Einschätzungen sei es noch zu früh.
Es würde das Rating des schlechtesten Landes gelten
Aus einem der "Financial Times Deutschlands" vorliegenden Methodenpapier für Gemeinschaftsfonds von S&P geht jedoch hervor, dass der Fonds schlechter abschneiden würde. Denn wenn wie jüngst auf deutschen Wunsch hin vereinbart jedes Land nur für seinen eigenen Anteil haftet, wirkt der sogenannte Weak-Link Approach, es würde das Rating des schwächsten Landes gelten. Das wären bei einer Hilfe für Portugal dann möglicherweise Spanien oder Irland.
Auch nach Commerzbank-Analyse könnte sich das Rating der Vermögenswerte am schwächsten Gesellschafter orientieren oder am Durchschnitt der garantiegebenden Länder. Die Experten der Commerzbank machen das an den unterschiedlichen Ratingansätzen der Analyseagenturen fest, die sich "auf die Ausfallwahrscheinlichkeit beziehungsweise den erwarteten Verlust konzentrieren". Aus EU-Kreisen war zu hören, dass für das Vehikel wohl ein Mischrating in Betracht kommt. Um ein "AAA" zu bekommen, müssten die so gerateten Staaten im Zweifel für alle anderen einspringen, was aber in Deutschland gesetzlich ausgeschlossen werden soll.