Entschädigung für Germanwings-Opfer "Es reicht nicht, die Beerdigungskosten zu zahlen"

Was kostet ein Menschenleben? Opferanwalt Elmar Giemulla trifft sich erstmals mit der Lufthansa. Er fordert Schmerzensgeld in Millionenhöhe - obwohl das Gesetz solche Summen nicht vorsieht.

Der Zwischenbericht zum Absturz des Germanwings-Flugs 4U9525 brachte am Mittwoch noch einmal neue erschreckende Details hervor: Todespilot Andreas Lubitz hatte seine Tat offenbar schon auf dem Hinflug geprobt. Während die Katastrophe mittlerweile weitgehend aufgeklärt ist, ist die Frage der Entschädigung noch komplett offen. Zwar hat die Lufthansa schnell reagiert und für jedes Opfer 50.000 Euro gezahlt. Doch damit geben sich die Anwälte der Hinterbliebenen nicht zufrieden.

In den Verhandlungen, die nun beginnen, geht es nicht nur um Schadensersatz, sondern auch um moralische Verantwortung und die Frage, wie man den Schmerz der Angehörigen mit Geld aufwiegen kann. "Die Lufthansa hat Signale gegeben, dass sie sich kulant zeigen will. Jetzt werden wir sehen, was das juristisch heißt", sagt Luftrechtexperte und Opferanwalt Elmar Giemulla im Gespräch mit dem stern. Er trifft sich an diesem Donnerstag erstmals mit den Anwälten der Lufthansa, um im Namen von fünf Hinterbliebenen-Familien über Entschädigungen zu verhandeln.

Schmerzensgeld ist juristisch nicht vorgesehen

Die Gespräche dürften schwierig werden. Denn nach deutschem Recht haben viele Hinterbliebene keinen Anspruch, der über das hinausgeht, was die Lufthansa bereits pauschal gezahlt hat. Der Schadensersatz bemisst sich in Deutschland nämlich nur nach dem materiellen Schaden. Und so zynisch sich das auch anhört: Für Opfer, die keine Familie zu ernähren hatten, stehen kaum mehr als die Kosten der Beerdigung auf der Rechnung.

Giemulla will in den Verhandlungen mit der Lufthansa erreichen, dass die Airline nicht nur das gesetzliche Minimum zahlt, sondern ihre moralische Verantwortung anerkennt. Er verlangt Angehörigen-Schmerzensgeld, wie es das US-Recht kennt. "Es reicht nicht, die Beerdigungskosten zu zahlen. Das ist keine angemessene Bewältigung dieser Katastrophe", sagt Giemulla. Die Kosten für eine Beerdigung seien nicht die entscheidenden Folgen des Unglücks, sondern das, was in den Familien kaputtgegangen ist.

Der Preis des Schmerzes

Aber wie bemisst man das Leid der Angehörigen? Welchen Preis setzt man für einen emotionalen Schaden fest, der sich nicht an körperlichen Auswirkungen ablesen lässt? Im Rechtssystem der USA sind Schmerzensgeldzahlungen im Millionenbereich fast an der Tagesordnung. In Europa gibt es den Präzedenzfall des französischen Concorde-Absturzes. Damals seien rund 1,2 Millionen Euro pro Opfer und damit deutlich mehr als das gesetzliche Minimum gezahlt worden, sagt Giemulla, der an den Verhandlungen beteiligt war. Im Germanwings-Fall hält er etwa eine Million Euro pro Opfer für angemessen. Das Geld soll dann nach einem festzusetzenden Schlüssel auf die engen Familienangehörigen verteilt werden.

Wie offen die Lufthansa für freiwillige Zahlungen ist, will Giemulla nun ausloten. Er ist entschlossen, die Lufthansa nicht billig davonkommen zu lassen. Für den Fall, dass der Konzern den Hinterbliebenen nicht genug entgegen kommt, hat der Luftrecht-Professor angekündigt, vor ein US-Gericht zu ziehen.