Google kritisiert Internetzensur Mutige Kraftprobe mit China

  • von Janis Vougioukas
Google ist der Kragen geplatzt: Wegen der immer schärferen Zensur in China, droht der Konzern mit dem Rückzug aus dem Riesenreich. Ein mutiger Schritt, die chinesische Regierung wird sich davon aber kaum beeindrucken lassen.

Google will sich nicht mehr von den chinesischen Internet-Aufpassern verbiegen lassen. Immer wieder war es in den vergangenen Wochen zu Hacker-Angriffen gekommen. Und die Pekinger Regierung verkündet fast jede Woche neue, strengere Regeln zur Überwachung des Internets.

Dem US-Konzern geht die zunehmende Einmischung der Behörden offenbar zu weit. Google spielt sogar mit dem Gedanken, sich aus China zurückzuziehen. "Wir haben entschieden, dass wir nicht länger bereit sind, unsere Suchergebnisse auf Google.cn zu zensieren", schreibt der Chefjustiziar des Unternehmens David Drummond, im firmeneigenen Blog. Zunächst will Google aber mit offiziellen Stellen klären, ob die lokale Suchmaschine ohne Zensur betrieben werden kann.

"Es geht im Kern um die freie Meinungsäußerung"

Google vermutet die chinesische Regierung hinter den Hacker-Angriffen auf die eigene Seite. "Mitte Dezember haben wir einen sehr ausgeklügelten und gezielten Angriff von China aus auf die Infrastruktur unseres Unternehmens entdeckt, der zu einem Diebstahl von Googles geistigem Eigentum führte", schreibt der Chefjurist David Drummond in einem Eintrag des Firmen-Blogs. Mindestens 20 andere große Unternehmen seien ebenfalls angegriffen worden. "Uns liegen Hinweise vor, dass es ein Hauptziel der Angreifer war, Zugang zu den Gmail-Adressen von chinesischen Bürgerrechtlern zu erhalten."

Google hat 2006 die chinesische Version des Suchdienstes gestartet. Doch anders als in Europa oder den USA unterliegen die Suchergebnisse einer strengen Kontrolle. Wer etwa die Worte "Platz des Himmlischen Friedens" in die Suchmaske eingibt, findet nur Urlaubsfotos und touristische Informationen. Das Massaker an den protestierenden Studenten von 1989 wurde nicht mit einem Wort erwähnt. Auch Suchergebnisse der chinesischen Google-Version waren in den vergangenen Jahren immer wieder gesperrt worden.

Fast alle unterwerfen sich der Gedankenkontrolle

Fast alle großen Weltkonzerne haben sich der scharfen Kontrolle der chinesischen Sicherheitsbehörden unterworfen. Apple hat China-kritische iPhone-Apps aus dem chinesischen App-Store entfernt. Verlage zensieren ihre chinesischen Bücher und Zeitschriften. Und aus Angst vor dem Zorn der Kommunistischen Partei verkneifen sich die Chefs fast sämtlicher Weltkonzerne jedes kritische Wort in Richtung Peking.

Google aber will nun dagegenhalten: "Vor dem Hintergrund der Attacken wollen wir es allerdings nunmehr nicht weiter hinnehmen, manche Suchergebnisse nur gefiltert und zensiert anbieten zu können", sagt Google-Sprecher Kay Overbeck stern.de. "Wir wollen mit der chinesischen Regierung erörtern, ob und wie dies im Rahmen der chinesischen Gesetze möglich ist. Wir sind uns bewusst darüber, dass dies im anderen Fall auch die Abschaltung von google.cn zur Folge haben kann wie potenziell auch die Schließung unserer Büros in China."

Das Unternehmen beweist mit seiner Entscheidung viel Rückgrat. Doch die Kommunistische Partei wird sich nicht erpressen lassen, schon gar nicht von einem ausländischen Internetkonzern. Es wird wohl nur wenige Tage dauern, bis Google für die meisten Chinesen nicht mehr zu erreichen ist.

Facebook von den Behörden gesperrt

So ist es bisher auch Youtube, Blogspot und Twitter ergangen. Im Sommer wurde Facebook von den chinesischen Behörden gesperrt. Der Social-Networking-Dienst hatte sich geweigert, China-kritische Diskussionsgruppen zu löschen. Innerhalb von wenigen Wochen sank die Zahl der Nutzer von einer Million auf unter 14.000.

Im vergangenen September waren 360 Millionen Chinesen online. Inzwischen dürfte die Zahl fast 400 Millionen erreicht haben - mehr Menschen als in jedem anderen Land. Doch Google wird bei weitem nicht so stark genutzt wie in den meisten anderen Ländern. Die seit längerem etablierte chinesische Suchmaschine Baidu hat nach eigenen Angaben einen Marktanteil von zuletzt rund 77 Prozent.

Peking will die Kontrolle übers Internet behalten

Die Pekinger Führung gibt sich große Mühe, die Kontrolle über das Internet nicht zu verlieren. Hunderttausende chinesische und westliche Webseiten sind aus der Volksrepublik nicht zu erreichen. Und die Kontrollen werden immer strikter. Seit einigen Wochen müssen selbst private Webseiten bei den Behörden angemeldet werden. Beobachter befürchten, dass China schon bald alle unregistrierten Webseiten abschalten könnte. Vor zehn Jahren hatte die Kommunistische Führung schon einmal angekündigt, ein "eigenes Internet" zu schaffen.

Die Pekinger Propagandabehörden haben alle Zeitungen angewiesen, nicht über Googles Provokation zu berichten. Trotzdem löste die Nachricht in der chinesischen Netzgemeinde eine Welle der Sympathie aus. In Chatforen verabredeten sich die Nutzer, Blumen vor der Pekinger Google-Zentrale niederzulegen. "Nimm mich mit, Bruder Google!", schrieb ein anonymer chinesischer Surfer. Es sieht so aus, als könnte das schwierig werden.