Wer beim Modekonzern Hennes und Mauritz (H&M) als Mitarbeiter anfängt, bekommt ein kleines Büchlein in die Hand gedrückt. Ein Kapitel beschäftigt sich mit der Firmenphilosophie, "der Mittelpunkt unseres H&M-Hauses". Es sind die so genannten "sieben Werte". Sie gelten in jedem Laden, heißt es dort, unabhängig von Land und Kultur. Und sie sind wirklich vorbildlich. Zum Beispiel: "Traue dich, du selbst zu sein" und "Sag, wenn etwas falsch läuft, aber nicht hinter dem Rücken von anderen". Oder auch: "Wir hören zu, lernen voneinander". In einer internen Anleitung über den Umgang von Führungskräften mit Betriebsräten steht: "Alles beginnt mit deiner positiven Einstellung." Es klingt alles wunderbar harmonisch. In dieses Bild, was die Schweden sorgsam aufgebaut haben, passt es, dass sie T-Shirts aus ökologisch angebauter Baumwolle anbieten, für Erdbebenopfer in China spenden und Jugendliche in Bangladesch ausbilden. Alles frei nach dem Motto: Wir mögen uns, wir kümmern uns - um jeden Mitarbeiter und im Zweifel auch um alle, denen es sonst noch schlecht geht auf dieser Welt.
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... im aktuellen stern. Darin: "...dann musst Du mit einer fristlosen Kündigung rechnen". Wer bei H&M aufmuckt, riskiert Lohnabzüge oder gar den Job. Ein Insider-Bericht.
Offenbar geht H&M systematisch vor
In der Vergangenheit gab es vereinzelte Berichte, dass die Harmonie bei H&M lediglich gespielt sein könnte. Wie nun der stern in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, gibt es offenbar ein System: Betriebsratsarbeit soll systematisch behindert werden. Das der Öffentlichkeit vorgegaukelte Bild ist verlogen.
Dem stern liegen Unterlagen vor, nach denen die Zentrale in Hamburg weiß, was in den Filialen vor Ort gespielt wird. Dort ist bekannt, wie Filialleiter mit Betriebsräten umgehen. Zum Teil werden Androhungen von fristlosen Kündigungen oder Gehaltsabzügen sogar dort formuliert. Sie gehen dann als Fax oder Mail in die Filiale - und der Vorgesetzte unterschreibt im freigelassenen Signierfeld. Damit konfrontiert, verweist H&M nur allgemein auf "Schulungsmaßnahmen".
Betriebsräte werden in ihren eigentlichen Aufgaben gelähmt
Die Betriebsräte werden in langwierige Gerichtsprozesse gezogen - weil ihnen die elementarsten Hilfsmittel wie ein Fax oder Internetanschluss einfach vorenthalten werden. H&M behauptet ernsthaft, dass "selbstverständlich" jeder Betriebsrat Fax, Telefon und E-Mail habe. Das Unternehmen schweigt aber gegenüber dem stern zu seinen Aktivitäten vor deutschen Gerichten. So lässt die Zentrale den Betriebsrat der hannoverschen Filiale am Kröpcke vor dem Arbeitsgericht auf einen Internetanschluss klagen - und geht nach Niederlagen einfach immer wieder in Berufung. Bis vor das Bundesarbeitsgericht. Erfolglos. Und auch dann: der nächste Betriebsrat, nur ein paar hundert Meter entfernt, muss wieder klagen. Und wieder geht H&M in Berufung. Und ein Betriebsrat in Berlin muss ebenfalls wieder - in der gleichen Sache - sein Recht einfordern. Und so weiter. Die Betriebsräte werden so von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten.
Für Betriebsräte fällt das Gehalt schon mal geringer aus
Dazu kommt: Betriebsräten werden wiederholt Gehälter gekürzt. Mal sei die Arbeit nicht erforderlich gewesen, mal ein Seminar unnötig. Die Betriebsräte verdienen oft nur knapp über 1000 Euro netto im Monat. Es ist kein schönes Spiel, welches H&M mit seinen Beschäftigten spielt.
In Schweden kommt das Unternehmen gut mit Arbeitnehmervertretern aus. Ausgerechnet in dem Land, in dem H&M den meisten Umsatz macht, in Deutschland, werden die Betriebsräte jedoch gedeckelt. Dabei müssen die Standards in allen Ländern gleich sein. Eigentlich muss H&M nur umsetzen, was es in seinen Heftchen für die neuen Mitarbeiter schreibt: Die Werte müssen in jeder Filiale gelten, unabhängig von Land und Kultur. Also auch in Deutschland.
H&M täuscht die Verbraucher
Wer politisch korrekt sein will, muss nicht nur Öko-Shirts verkaufen und Erdbebenopfern Geld spenden, sondern auch grundlegende Vereinbarungen wie das deutsche Betriebsverfassungsgesetz respektieren.
Doch durch das soziale Engagement erweckt H&M beim Kunden ein falsches Bild. Es täuscht den Verbraucher. Weil es die eigenen Werte, die es angeblich gibt, nicht lebt. Am Ende muss der Kunde überlegen, ob ihm der neueste Trend oder die oft unschlagbar günstigen Preise das alles wert sind.