Die IG Metall muss sich auf eine monatelange Zerreißprobe einstellen. Der Versuch, im Vorstand einen Ausweg aus dem lähmenden Machtkampf zu finden, scheiterte am Dienstagabend nach mehr als zwölfstündigen Beratungen. Dabei hatte der umstrittene Vize-Vorsitzende Jürgen Peters den Vorschlag von Gewerkschaftschef Klaus Zwickel für einen gemeinsamen Rücktritt ausgeschlagen. Peters will ungeachtet der heftigen Kritik nach dem Streik-Debakel in Ostdeutschland bis zum Gewerkschaftstag im Oktober im Amt bleiben und sich dort zu Zwickels Nachfolger wählen lassen.
Huber wirft das Handtuch
Einer von Peters' wichtigsten Kontrahenten, Berthold Huber, warf dagegen das Handtuch. Der baden-württembergische Bezirksleiter zog seine Kandidatur für das Amt des zweiten Vorsitzenden zurück. Er war im April als Vize-Chef nominiert worden, nachdem er Peters im Kampf um die Spitzenkandidatur unterlegen war. Nach den Angriffen auf Peters wegen der Niederlage beim Arbeitskampf für die 35-Stunden-Woche im Osten wurden dem Reformer Huber wieder Chancen auf den Führungsposten beigemessen.
Versuch der gemeinsamen Analyse
Zwickel betonte, ein gemeinsamer Rücktritt von ihm und Peters "wäre ein deutliches Signal gewesen, dass die beiden gegensätzliche Strömungen in der IG Metall wieder aufeinander zugehen". Auch der Vorschlag für einen geschlossenen Rücktritt des gesamten Vorstands wurde erörtert, fand aber keine Mehrheit. Nach den Verhandlungen würdigten sich Zwickel und Peters keines Blickes.
Nun soll eine gemeinsame Analyse über den gescheiterten Arbeitskampf und die notwendigen tarifpolitischen Folgen erarbeitet werden. Dabei werde es im Kern um das Verhältnis von Flächen- und Haustarifverträgen gehen, sagte Zwickel. Auch während des Streiks war zu beobachten, dass sich Unternehmen aus dem Flächentarifvertrag zurückziehen und Haustarifverträge aufsetzen.
Demnächst neuer Personalvorschlag
Gewerkschaftssprecher Claus Eilrich sagte im Deutschlandfunk, die "offenen Führungsfragen" müssten jetzt schnell geklärt werden. "Ich gehe aber davon aus, dass das der IG-Metall gelingen wird." Dem ZDF-'Morgenmagazin' verriet er den weiteren Fahrplan: Der Vorstand wird in "einer seiner nächsten Sitzungen einen neuen Personalvorschlag für die Spitze machen", "über den dann die Delegierten des Gewerkschaftstages im Oktober entscheiden." Eilrich ließ offen, ob der amtierende Zweite Vorsitzende Peters Bestandteil dieses Vorschlags sein werde oder nicht.
Erstmals hat sich allerdings am Mittwoch ein möglicher Alternativkandidat ins Spiel gebracht: Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, schließt eine Kandidatur für den Vorsitz seiner Gewerkschaft entgegen früherer Aussagen nicht mehr aus.
"Es könnte eine Situation geben, in der ich das machen würde", sagte Teichmüller der dpa am Mittwoch. "Ich schließe zur Zeit nichts aus." Noch in der vorigen Woche hatte der 59-Jährige einen Wechsel an die Spitze der größten deutschen Industriegewerkschaft mehrfach strikt abgelehnt.
Der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, rief im Deutschlandfunk die IG-Metall erneut dazu auf, in der Personaldebatte eine schnelle Einigung zu finden, um bald zum Dialog über sachgerechte Lösungen zurückzukehren.
Gemischte Reaktionen
Die Reaktionen aus der Gewerkschaft bleiben gemischt. "Die IG Metall bleibt damit gespalten und die Pattsituation weiter erhalten", sagte der Chemnitzer IG-Metall-Chef Sieghard Bender am Dienstagabend der dpa.
"Ich bin enttäuscht, dass der Vorstand nicht zu einer Entscheidung gefunden hat, die Zerrissenheit bleibt damit weiter bestehen." Der Betriebsratsvorsitzende des VW-Werkes in Zwickau/Mosel, Jens Rothe, begrüßte dagegen die Vertagung personeller Entscheidungen: "Sie werden jetzt dahin gebracht, wo sie hingehören, auf den Gewerkschaftstag."
In vielen baden-württembergischen Metallbetrieben sind die Gewerkschaftsmitglieder nach Worten von Hubers Sprecher Frank Stroh verägert über das Verhalten von IG-Metall-Vize Peters, der einen Rücktritt des gesamten Vorstandes abgelehnt hatte. Mit einem solchen Schritt "hätte ein Neuanfang gewagt werden können", sagte Stroh. Huber will bis zum Wochenende allen 500 000 Mitgliedern der IG Metall im Südwesten seine Beweggründe schriftlich erläutern. In Bayern ist der Unmut ebenfalls groß. "Die Mitglieder sind stinkesauer, dass es bei der Vorstandssitzung nicht zu einer Entscheidung gekommen ist", sagte Gewerkschaftssprecher Horst Lischka.
CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz sieht die IG Metall in einem Grundsatzstreit. "Was jetzt in der IG Metall stattfindet, ist in Wahrheit ein Richtungskampf um Rückfall in alte Ideologien oder Modernisierung", sagte Merz der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung". "Wir stehen vor der Frage, ob wir in Deutschland in Zukunft moderne Gewerkschaften haben."
Bundesinnenminister Otto Schily hat sich für eine neue Führung der IG Metall ausgesprochen. "Das Land braucht starke Gewerkschaften und deshalb wäre es gut, wenn sich die Gewerkschaften bald auf eine neue Führung einigen", sagte Schily im ZDF-'Morgenmagazin'. Dass diejenigen, die sich in diesen Streit "verbissen" hätten, nicht mehr geeignet seien, zeige sich "offenkundig". Der Streit in der IG Metall sei ein "Trauerspiel".