Luftverkehr Lufthansa: Führungswechsel in schwerer Zeit

Die Lufthansa startet inmitten der schweren Branchenkrise in eine neue Zeit: Nach fast zwölf Jahren an der Spitze übergibt Konzernkapitän Weber den Chefsessel an an seinen Vize Mayrhuber.

Die Lufthansa startet inmitten der schweren Branchenkrise in eine neue Zeit. Nach fast zwölf Jahren an der Spitze übergibt Konzernkapitän Jürgen Weber (61) den Chefsessel an diesem Mittwoch bei der Hauptversammlung in Köln an seinen Vize Wolfgang Mayrhuber (56). Mit dem fliegenden Wechsel zum bisherigen "Copiloten" setzt Europas zweitgrößte Airline auf Kontinuität - und hält Kurs auf strenges Krisenmanagement. Nach dem erneuten Sturz in die Verlustzone zu Jahresbeginn drohen dem neuen Vorstandsvorsitzenden zum Debüt rote Zahlen für 2003. Für Zündstoff sorgen da Pläne, die Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder kräftig anzuheben.

"Die Lage war noch nie so ernst"

In die schwierige Lage braucht Mayrhuber niemand erst einzuweisen. Gerade im Passagiergeschäft, das er bisher im Vorstand verantwortet, schlägt die Mehrfachkrise aus schwacher Konjunktur, Terrorfurcht und Irak-Krieg voll ins Kontor. Mit 415 Millionen Euro sackte der Konzern im ersten Quartal operativ ins Minus. Die Lungenkrankheit Sars ließ die Buchungen ausgerechnet auf den bis dato einträglichen Asienrouten einbrechen. "Die Lage war noch nie so ernst", alarmierte Weber die Lufthanseaten.

Schadens-Begrenzung ohne Entlassung

Hoffnung auf ein einträgliches Geschäft 2003 dürfte auch bei der Hauptversammlung kaum aufkommen. Zwar sollen zwei von 70 vorerst stillgelegten Jets wieder nach Übersee abheben, weil die Buchungen auf dem Nordatlantik anziehen. Der Vorstand hat aber längst Schadens-Begrenzung zur Maxime erhoben - der drohende Verlust soll möglichst klein gehalten werden. In seinen letzten Dienstwochen hat Weber dafür noch einmal zum harten Sparen gerufen, damit sein Nachfolger Kostenentlastungen ernten kann. Die Arbeitszeit des Bodenpersonals wurde mit Lohnabzug verkürzt, in den Kabinen gilt Kurzarbeit, auch die Piloten stecken zurück. Entlassungen soll es aber nicht geben.

Maxime bleibt Erhalt der Arbeitsplätze

Die Linie, die Mitarbeiter durch rasche Einsparungen auch in den Flauten des unbeständigen Airlinegeschäfts an Bord zu halten, hat Weber tief ins Unternehmen eingebrannt. Seit der schmerzhaften Sanierung in den neunziger Jahren soll so das Trauma gebannt werden, "dass uns eine externe Krise völlig aus der Bahn wirft und Menschen durch vermeidbare Fehler ihren Arbeitsplatz verlieren." Auch Mayrhuber hat durch nichts erkennen lassen, dass er von diesem Vermächtnis der Ära Weber abweichen wollte.

Kaum Änderungen erwartet

Aus dem Schatten seines Mentors ist der künftige Lufthansa-Chef in seinem Jahr als stellvertretender Vorstandsvorsitzender bisher kaum hervorgetreten. "So gut wie nichts" lautet denn auch die häufigste Antwort in der Lufthansa-Basis und bei Finanzexperten auf die Frage, was sich grundlegend ändern werde. Lockerer im Auftreten als der bei Terminen stets unter Hochspannung stehende Weber sei Mayrhuber. Mit seinem weniger emotionalen Führungsstil werde der Neue die Kosten aber mindestens ebenso scharf im Auge behalten. Am künftigen Kurs im Europageschäft arbeitet bereits eine Projektgruppe. Dabei will die Lufthansa auch von den Billigfliegern lernen und ihre Angebote stärker differenzieren - für anspruchsvolle und preissensible Kunden.

Schweres Erbe

Seinem Duzfreund hinterlässt Weber ein schweres Erbe. Noch einmal zog er im vergangenen Jahr die Zügel an und lenkte das Unternehmen nach dem Einbruch wegen der Terroranschläge in den USA umgehend wieder in die Gewinnzone. Die Aktionäre sollen davon mit einer Dividende von 0,60 Euro profitieren. Nach der Hauptversammlung soll Weber, der sich wie kaum ein anderer mit "seiner" Lufthansa identifiziert, an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln. Von dort werde er auch weiterhin sehr starken Einfluss auf die Strategie des Konzerns behalten, meint ein Topmanager.

Problematische Aufstockung der AR-Gehälter

Wirbel bei der Hauptversammlung deutet sich im Vorfeld bei zwei anderen Fragen an. Zum einen stehen deutlich höhere Bezüge für die Aufsichtsräte zur Abstimmung, was nicht nur beim Gesamtbetriebsrat wegen der finanziellen Opfer der Beschäftigten Protest ausgelöst hat. Auch Anteilseigner prangern "Maßlosigkeit" an. Zum anderen ist der stellvertretende Aufsichtsratschef Frank Bsirske in die Schusslinie geraten. Etliche Aktionäre verübeln dem ver.di-Vorsitzenden, der Lufthansa bei Warnstreiks im Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes Flugausfälle und damit Millionenschäden eingebrockt zu haben.