Im Medienthriller um das Überleben und die künftige Firmengestalt der KirchGruppe hat der australische Unternehmer Rupert Murdoch (70), gerne als 'Medienmogul' apostrophiert, den Druck auf den Bayern Leo Kirch erhöht. Über die renommierte »Financial Times« ließ er am Freitag wissen, dass er beschlossen hat, die wirtschaftlichen Verbindungen zur KirchGruppe zu kappen.
Murdoch-Firmen machen Druck
Fast gleichzeitig teilte die britische Satellitenfirma BSkyB - die Murdochs News Corporation gehört und seit Ende 1999 mit 22 Prozent am KirchPayTV beteiligt ist - mit, dass sie 'vorsichtshalber' 1,6 Mrd Euro von dieser Beteiligung abschreibt. Außerdem bekräftigte BSkyB, dass die ab Oktober mögliche Verkaufsoption für den Anteil bei Kirch in Höhe von knapp 2,6 Mrd Euro wahrgenommen wird. Leo Kirch hat das Geld nicht, um den einstigen Freund und Weggefährten Murdoch dergestalt auszuzahlen - fehlt es ihm doch schon an den Mitteln, die Verkaufsoption des Springer-Verlags von »nur« 767 Mio Euro zu bedienen.
Taktische Daumenschrauben?
Was auf den ersten Blick in der Tat nach einer Trennung aussieht, mag sich beim zweiten Hinschauen eher als das Anlegen von Daumenschrauben zwischen Unternehmern herausstellen. Denn die von James Harding, dem immer gut unterrichteten Medienredakteur der »Financial Times« wiedergegebene Absage Murdochs (»Ich sehe nicht, wie wir diese Beziehung fortsetzen können, ohne mehr Geld hineinzustecken. Und dazu sind wir nicht bereit«) könnte nach Ansicht von Beobachtern auch nur ein taktischer Schachzug sein, um den Einfluss bei Kirch zu vergrößern, möglicherweise Kirch zu beherrschen.
Premiere ist 'schwarzes Loch'
Murdoch hat bisher keinen Hehl daraus gemacht, dass er mit dem Geschäftsgang bei Kirchs Bezahlfernsehen Premiere höchst unzufrieden ist. Als »schwarzes Loch«, in dem Geld spurlos, aber in großen Mengen verschwindet, sieht er Premiere. Murdoch würde Premiere gerne kontrollieren, will aber die Verluste dort nicht weiter mittragen.
Bei BSkyB funktioniert es
Murdoch will nicht verstehen, warum in Deutschland nicht funktioniert, was in Großbritannien allmählich in Gang kommt. Zwar macht BSkyB noch Verluste. Allerdings stimmt jetzt der Trend: In der zweiten Jahreshälfte 2001 waren die Verluste mit 62 Mio Pfund fast um 50 Mio Pfund niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Neuzugänge stieg um 218.000 Kunden auf 5,7 Millionen und erstmals wurde im Januar ein positiver Cashflow gemeldet.
Wieviel ist der Anteil wert?
Vor der teilweisen Abschreibung des Anteils bei Kirch hat Murdoch festgestellt, dass der Wert dieser Beteiligung schwer zu beziffern ist. Aber auch ihm dürfte klar sein, dass der Wert gegen Null sinkt, wenn es zu einer Insolvenz von Kirch und zu einer gewaltsamen Zerschlagung der deutschen Gruppe kommt. In London wird daher damit gerechnet, dass Murdoch und Kirch sich ungeachtet des Säbelrasselns vor Oktober einigen. Dadurch, dass Dieter Hahn als Kirch-Vertreter zur Vermeidung von Interessenkonflikten aus dem Vorstand von BSkyB ausgeschieden ist, sind klare Fronten geschaffen worden.
Kein Geheimgespräch Schröders zu Kirch
Währenddessen sah sich Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye gezwungen erneut zu dementieren, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder »Geheimgespräche« im Zusammenhang mit der hoch verschuldeten KirchGruppe geführt hat. Der Kanzler war auch nicht in Geheimgespräche mit Banken involviert. Auch könne er die Interessenlage des britischen Medienunternehmers Ruppert Murdoch nicht beurteilen. Das Magazin »Der Spiegel« berichtet in seiner neuesten Ausgabe, dass es ein geheimes Treffen Schröders mit Deutsche Bank-Vorstandssprecher Rolf Breuer, Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und WAZ-Miteigentümer Erich Schumann zur Zukunft der KirchGruppe gegeben haben soll. Die Vierer-Runde tagte angeblich im Gasthaus »Wichmann« in Hannover. Bei dem geheimen Treffen in Hannover sollen sich die Beteiligten auf eine »nationale Lösung« geeinigt haben, um einen stärkeren Einfluss Rupert Murdochs auf dem deutschen Markt zu verhindern.
Wie sieht die 'nationale Lösung' aus?
Bei dieser »nationalen Lösung« soll Kirch nur noch in der Rolle eines Minderheitsgesellschafters aktiv bleiben. Die Fernsehfamilie ProSiebenSat.1 soll an verschiedene Anbieter verkauft werden. Für Murdoch würde dann nur noch das defizitäre Pay-TV-Unternehmen Premiere World bleiben. Die Banken wollten auf einen Teil ihrer Forderungen an Kirch verzichten. Sollte der 40-prozentige Anteil der Kirch-Gruppe am Springer-Verlag zum Verkauf stehen, will die WAZ-Gruppe einsteigen. Schumann soll Verlagserbin Friede Springer angeboten haben, dass sich die WAZ-Gruppe dann um die Betriebsabläufe kümmern wird, die publizistische Hoheit des Verlags aber nicht antastet. Friede Springer sagte dem »Spiegel«, dass eine Veränderung der Aktionärsstruktur aber nicht zur Debatte steht. Der ProSiebenSAT.1-Aktienkurs legte daraufhin um 19 Prozent auf 6,65 Euro zu.
Der Ruf nach einer »nationalen Lösung« hat wohl viel mit Vorurteilen zu tun, meint die »Financial Times«: »In Deutschland sieht man den Kampf der mächtigsten Medienbosse wie das Aufeinanderprallen von Karikaturen.« Auf jeden Fall bleibt es spannend...