In Bangladesch zeigen die Proteste von Textilarbeitern für einen höheren Mindestlohn Wirkung. Die Arbeitgeber stellten am Montag eine Anhebung um 50 bis 80 Prozent in Aussicht. Um die dafür anfallenden Kosten zu decken, wollen sie jedoch internationale Modefirmen und Bekleidungsmarken, die vor Ort produzieren lassen, zur Kasse bitten.
Das weltweit zweitgrößte Exportland für Textilien hofft damit auch den internationalen Druck zu mildern, seine Arbeitsbedingungen zu verbessern. Denn nach einer Serie schwerer Unfälle und dem Einsturz eines Fabrikgebäudes, bei dem im April mehr als 1130 Menschen ums Leben kamen, war Bangladesch in die Kritik geraten. Das zuständige Gremium wird schnellstmöglich beraten, bevor der Lohnvorschlag dann an die Regierung übergeben wird.
Arbeiter wollen 75 Euro Monatslohn
Der monatliche Mindestlohn für Beschäftigte der Textilwirtschaft liegt in Bangladesch bei umgerechnet 28 Euro. Zuletzt war er 2010 nach monatelangen Protesten angehoben worden. Die Textil-Beschäftigten fordern nun eine Erhöhung auf rund 75 Euro. Mit zahlreichen Protestaktionen untermauerten sie zuletzt ihren Anspruch, ein Fünftel der Produktionsstätten war davon im vergangenen Monat betroffen.
Die Fabrik-Betreiber hatten zunächst einen Mindestlohn von monatlich rund 34 Euro angeboten. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr von ihnen, dass damit gerechnet werde, dass die zuständige Tarifkommission nun zwischen 42 bis 52 Euro vorschlagen werde. Fünf bis 15 Prozent der Kostenerhöhung sollten auf die Einzelhändler umgeschlagen werden. Ob damit aber auch ein Ende der Streiks zu erreichen ist, bleibt offen. Viele Arbeiter haben bereits angekündigt, weiter zu protestieren, sollten ihre Forderungen nicht umgesetzt werden.
Vor allem Frauen leiden unter Mini-Löhnen
Die Textilindustrie ist die wichtigste Branche des asiatischen Landes. Sie steht für 80 Prozent des Jahresexports. Vor allem Frauen sind in dem Bereich beschäftigt. Wegen der extrem niedrigen Löhne und der günstigen Zollbestimmungen für Lieferungen in die westlichen Industrieländer lassen fast alle großen Modefirmen und Bekleidungsmarken in Bangladesch produzieren. Beliebter ist bei den Unternehmen derzeit nur noch China.
In den Lohnverhandlungen geht es jetzt darum, einen Kompromiss zwischen den Auftraggebern aus den Industrieländern, darunter Konzerne wie Wal-Mart oder H&M, den Fabrik-Eigentümern mit guten Kontakten zur Politik und den protestierenden Arbeitern auszuloten. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Bangladesch nicht auf die Streiks reagiert. Doch dann kam es zu mehreren Unfällen in Fabriken.
Wal-Mart und H&M offen für Gehaltssteigerung
Besonders schwer war das Unglück in der Nähe der Hauptstadt Dhaka im April. Bei dem Einsturz eines achtstöckigen Gebäudes waren damals über 1130 Arbeiter in den Trümmern ums Leben gekommen. Hinweise der Stadtverwaltung auf Risse waren offenbar ignoriert worden. Das Gebäude war nach offiziellen Angaben auf sumpfigem Boden und ohne die erforderlichen Genehmigungen gebaut worden. Nur zwei Wochen später war es in Dhaka in einer Textilfabrik zu einem Brand gekommen, bei dem acht Menschen starben.
Wal-Mart und H&M zeigten sich offen für Gehaltssteigerungen. "Löhne sind ganz oben auf unserer Agenda, um für Verbesserungen in der Textilwirtschaft zu sorgen", sagte Helena Helmersson, die bei H&M für das Ressort Nachhaltigkeit zuständig ist. Wal-Mart ermuntere die Regierung in Bangladesch, die Löhne an die Bedürfnisse der Arbeiter anzupassen, sagte ein Firmensprecher. Arbeiter in Bangladesch bekommen in etwa die Hälfte des Lohnniveaus von Vietnam oder Kambodscha. Im Vergleich zu China ist es sogar nur ein Viertel.