»Spritzt Ihr hier mit Hustenbonbons?« fragt ein Spaziergänger, als er den Winzer Michael Albrecht zwischen den Rebstöcken im Rheingau trifft. Der vollbärtige Hüne erklärt den Geruch seines Weinberges am Eltviller Sonnenberg: »Ich besprühe meine Rebstöcke nicht mit Chemie, sondern mit einer Kräutermischung. Und die riecht nach Eukalyptus.«
Michael Albrecht ist einer von rund 300 deutschen Öko-Winzern und Mitglied bei Ecovin, des mit 196 Mitgliedern größten Verbandes der Branche. Wer dazu gehören möchte, muss die europäischen Vorschriften für den ökologischen Weinbau noch übertreffen. Das bedeutet zum Beispiel den Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger. Den für die Pflanzen lebenswichtigen Stickstoff bringen sie mit Brauererei- Reststoffen in den Boden oder sie säen Pflanzen, die Stickstoff abgeben.
Chemikalien und Gentechnik sind tabu
Naturfremder Pflanzenschutz mit Chemikalien und Gentechnik sind ebenfalls tabu. Dafür verliert Albrecht lieber einen Teil seiner Lese: »Bei der ökologischen Bewirtschaftung zerstören Schädlinge 15- 20 Prozent mehr als bei normalen Weingütern«, erzählt er. Auf Grund der aufwendigeren Produktion koste ökologischer Wein auch durchschnittlich zehn Prozent mehr.
Weniger Ertrag und dafür mehr Aufwand - mit dieser Rechnung kann sich bisher nur rund ein Prozent der deutschen Winzer anfreunden. Seit 1997 stagniert die Mitgliederzahl bei Ecovin. »Die Umstellung auf ökologischen Weinbau ist teuer. Der Winzer braucht neue Maschinen, muss oft die komplette Produktion umstellen«, erläutert Christine Bernhard, Vorsitzende des Verbandes in Oppenheim (Kreis Mainz-Bingen). »Betriebe, die ihre Produktion umstellen wollen, sollte der Staat in den ersten zwei bis drei Jahren stärker unterstützen«, fordert die Öko-Winzerin.
Als Handicap empfinden vor allem die kleinen Winzer die zusätzliche Bürokratie. »Der Weinbau wird ohnehin schon schärfer kontrolliert als andere Branchen. Öko-Kontrollen sorgen aber für einen wahren Papierberg«, sagt Bernhard. Kontrollen seien zwar wichtig, um den Umweltschutz zu garantieren, aber das müsse effektiver und kostengünstiger passieren.
Wenn neue Öko-Winzer Anlaufschwierigkeiten haben, helfen »alte Hasen« wie Michael Albrecht. Er hat seit 1985 seine Öko-Wein- Anbaufläche von 1,5 auf fünf Hektar ausgebaut. Auf dem Weg dorthin gab es auch Pleiten. »1988 haben wir den Boden zu dicht begrünt, so dass die Rebstöcke nicht genug Nährstoffe ziehen können«, erzählt er. Um neuen Öko-Winzern ähnliches zu ersparen, beraten die Ecovin-Winzer Neueinsteiger. So biete es sich an, zunächst lediglich einen kleinen Teil des Weinberges ökologisch zu bewirtschaften um so risikolos Erfahrung zu sammeln. Dafür verleihe ein Ecovin-Winzer auch schon mal eine Maschine.
Nachfrage in Deutschland riesengroß
Trotz der stagnierenden Zahl der Ökowinzer ist die Nachfrage in Deutschland riesengroß. »Wir trinken mehr ökologisch angebauten Wein als jede andere Nation«, erklärt Bernhard. 90 Prozent des Marktes würden aber von ausländischen Weinen beherrscht, Ecovin werde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Damit sehen sich die Ökowinzer in einem Teufelskreis: Der Verband hat wenig Mitglieder, damit fehlt ihm das Geld für Werbung, und die Nachfrage nach deutschem Ökowein stagniert. Neue Mitglieder bleiben aus.
Wenn Ecovin aus diesem Kreis ausbrechen könne, traut die Verbands-Vorsitzende in den nächsten Jahren zehn Prozent der Winzer die Umstellung zu. »Es gibt in Deutschland enorme Potenziale, und auch im Ausland. Export von deutschem Ökowein findet bisher so gut wie nicht statt.«