Das Parlament in Lettland hat den Ausstieg aus der Istanbul-Konvention für den Schutz von Frauen gegen Gewalt beschlossen. Die Volksvertretung in Riga stimmte nach einer mehrstündigen Diskussion für den Rückzug des baltischen EU- und Nato-Landes aus dem Übereinkommen des Europarats. Gegner und Kritiker der Istanbul-Konvention sehen durch das Vertragswerk eine Ideologie gefördert, die traditionelle Familienwerte in Lettland untergrabe. Das Gesetz zum Austritt muss noch von Staatspräsident Edgars Rinkevics gebilligt werden.
Das Parlament in Lettland hatte die Istanbul-Konvention erst im November 2024 ratifiziert und sich damit verpflichtet, Gesetze und Maßnahmen zu erarbeiten, die darauf abzielen, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu beenden. In Deutschland war die Konvention Anfang 2018 in Kraft getreten.
Die Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ein. Zudem werden darin politische und rechtliche Maßnahmen definiert, mit denen die Unterzeichnerstaaten einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung schaffen sollen. Der Europarat kritisierte die Entscheidung am Freitag als "gefährliche Botschaft".
Frauenorganisationen in Lettland besorgt
Der Ausstieg wurde mit einem Gesetzentwurf verabschiedet, der von der Opposition ins Parlament eingebracht worden. Beschlossen wurde er mit Hilfe der Stimmen von einer der drei Koalitionsparteien der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Evika Silina. Ob dies Auswirkungen auf den Fortbestand der Regierung haben wird, blieb zunächst unklar. Die Ratifizierung des Übereinkommens war ein wichtiges Anliegen nach deren Amtsantritt im September 2023.
Kritiker der Konvention in Lettland argumentierten, sie fördere "Gender"-Theorien. Der Europarat hat entsprechende Vorwürfe in der Vergangenheit wiederholt zurückgewiesen. Gegner der Konvention in Lettland führen zudem ins Feld, dass der Austritt den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen nicht schwächen werde, da die nationalen Gesetze ausreichend seien.
Der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Theodoros Rousopoulos, sagte: "Das ist ein beispielloser und zutiefst beunruhigender Schritt zurück für Frauenrechte und Menschenrechte in Europa". Lettland sende eine "gefährliche Botschaft" - nämlich, dass die "Sicherheit und Würde von Frauen in Frage gestellt oder verhandelt werden kann".
Die Entscheidung des Parlaments sei "vorschnell und angetrieben von Desinformation" getroffen worden, sagte Rousopoulos. Lettland folge nun der Türkei, die bereits 2021 aus der Konvention ausgetreten war. Seitdem hätten dort Femizide und Gewalt gegen Frauen "stark zugenommen", fügte Rousopoulos hinzu.
Frauenrechtsorganisation und Institutionen, die mit Gewaltopfern arbeiten, befürchten, dass die Aufkündigung des Übereinkommens den Schutz von Frauen und die Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter schwächt.
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen“ berät unter der Rufnummer 08000 116 016 und online auf www.hilfetelefon.de rund um die Uhr und kostenfrei zu allen Formen von Gewalt. Die Beratung erfolgt anonym, vertraulich, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort. Auch Bekannte, Angehörige und Fachkräfte können sich an das Hilfetelefon wenden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
