Keine Werkschließungen – keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Opelaner können aufatmen – zumindest bis 2016. Solange gilt die Zusage. Das ist eine Fristverlängerung um immerhin zwei Jahren, denn der Beschäftigungspakt zwischen Arbeitnehmern und der Firmenleitung gilt nur bis 2014.
Das ist eine gute Nachricht, bedeutet sie doch, dass die europäische Tochter nun vier Jahre Zeit hat, ihr Geschäft in den Griff zu bekommen. Und sie beinhaltet weit mehr, als man noch vor wenigen Tagen erwartet hatte. Da hatte General-Motors-Boss Dan Akerson noch gesagt, Opel müsse in Europa Produktion und Nachfrage aufeinander abstimmen. Da die letzten Absatzeinbrüche bei Opel bekannt sind, konnte man aus diesen Worten des als reinen Zahlenmenschen verschrienen Akerson alle möglichen Schreckensszenarien herauslesen – aber gewiss keine Standortgarantie für alle deutschen Werken.
Im Gegenzug wird die Firmenleitung in dem jetzigen Deal mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat ihre alten Forderungen nach Flexibilisierung der Produktion und einem durchgängigen Dreischichtbetrieb durchgesetzt haben. Wirklich aufatmen können die über 3000 Arbeiter im Bochumer Opel-Werk aber nicht. Sie haben nur solange Zeit gewonnen, wie die Produktion des Zafira dauert. Der Plan der Geschäftsleitung soll vorsehen, nach dem Familienvan kein neues Fahrzeug mehr in Bochum fertigen zu lassen.
Die Unterstützung aus Detroit ist nicht selbstverständlich
In den sicheren Hafen ist Opel also nicht eingelaufen. Eine harte Sanierung steht weiterhin bevor. In den Opelwerken herrschen beträchtliche Überkapazitäten, ebenso beim Partner PSA (Peugeot/Citroen). Synergieeffekte müssen und werden zum Wegfall von Jobs führen. Zum Beispiel, wenn der Nachfolger des Zafira nicht mehr in Rüsselsheim, sondern in Frankreich entwickelt werden soll.
Die Entwicklung zeigt aber, dass die europäische Führung aus Detroit Unterstützung erhält. Und das ist nicht selbstverständlich. Auch wenn es in Deutschland nicht gern gehört wird: Es ist nicht die Aufgabe des amerikanischen Mutterkonzerns, bis in alle Ewigkeiten die Verluste der europäischen Tochter zu übernehmen. Und GM macht seit zehn Jahren Milliardenverluste in Europa. Zuletzt wurde ein Werk in Antwerpen geschlossen. Aber auch seitdem ist die Nachfrage nach Modellen von Opel und der Schwestermarke Vauxhall weiter zurückgegangen. Selbst im Heimatmarkt Deutschland wurden im Mai elf Prozent weniger Opel als im Vorjahresvergleich verkauft.
Vor der Opelspitze liegt eine Herkulesaufgabe
Doch GM stemmt sich gegen den Niedergang in Europa. Der Argwohn, dass Opel einfach totgespart und ausgeblutet wird, dürfte fürs Erste widerlegt sein. Für die kommenden vier Jahre sind bis zu 23 neue Modelle geplant, dazu kommen 13 neue Motoren und Autos mit alternativen Antrieben. Anders gesagt: General Motors investiert weiter und das im großen Maßstab. Aber vor den Aktionären in Detroit sagte Akerson auch, GM müsse in Europa Kapazitäten abbauen "wo und wann immer wir können". Und Kapazitäten heißt Arbeitsplätze.
Vor der europäischen Opelspitze liegt nun eine Herkulesaufgabe: Trotz der negativen Nachrichten muss die Marke in der Wahrnehmung wieder attraktiver werden, die Fahrzeugpalette muss weiter erneuert werden, die Werke müssen produktiver sein - und es müssen deutlich mehr Fahrzeuge verkauft werden. Unlösbar ist die Aufgabe nicht. In Sachen Qualität, Design und Attraktivität der Modelle hat Opel in den letzten Jahren viel erreicht.
Die europäische Krise ist Opels Achillesferse
Aber ein Faktor belastet Opel ganz besonders: Der Autobauer ist auf Gedeih und Verderb auf Europa und den Euro angewiesen. Exporte in Wachstumsmärkte gibt es kaum. Wenn die europäische Krise beendet wird, hat Opel auch eine Chance, wieder mehr Autos zu verkaufen. Taumelt Europa in den nächsten Jahren aber weiterhin von einem Rettungsschirm zum nächsten, sieht die Zukunft düster aus. Dann aber nicht nur für Opel und die Opelaner, sondern für ganz Europa.