Porno-Branche Staatsanwälte verweigern schnelle Nummer

  • von Jarka Kubsova
Staatsanwälte wehren sich dagegen, zu Gehilfen für Pornoanbieter degradiert zu werden: Diese nutzen vermehrt die Dienste der Strafverfolger, um bei Raubkopierern abzukassieren. Doch die Anwälte der Sex-Branche drohen nun mit Ärger.

Die Staatsanwälte in Wuppertal und Duisburg fühlten sich zunehmend unwohl in ihrer Situation. Sie hatten es gründlich satt, weiter die Interessen von Pornofilmern zu bedienen. Über 2000 Anzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen an Onlinefilmen mit Titeln wie "Abnorm Nr. 6 - Gang-Bang im Altersheim" oder "Anal-Qual 7" waren dort Monat für Monat eingegangen.

Denn die Pornoindustrie leidet. Sie leidet darunter, dass im Internet massenhaft schmutzige Filmchen getauscht und kopiert werden. Und keiner mehr welche kaufen will. In ihrem Überlebenskampf klammern sich die Pornofilmer an die Staatsanwälte. Denn die einzige Spur, die den Sexproduzenten bleibt, ist die IP-Adresse des Rechners, mit dem die Filme heruntergeladen wurden. Den richtigen Namen und die Adresse des Nutzers dürfen nur die Staatsanwälte erfragen - was eine Strafanzeige der Pornofilmer voraussetzt.

Auf direktem Weg

Kompromiss

Der Bundestag hat am 11. April das Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums verabschiedet. Die aktuelle Fassung soll einen Kompromiss zwischen den Interessen der Rechteinhaber einerseits und dem Schutz der Verbraucher vor hohen Abmahnkosten andererseits herstellen.

Entlastung

In Zukunft sollen die Abmahnkosten in einfachen Fällen auf 100 Euro begrenzt werden. Gleichzeitig erhalten die Rechteinhaber einen stärkeren Auskunftsanspruch. Bislang musste die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden, um von Internetprovidern die Namen und Anschriften der Urheberrechtsverletzer zu erhalten. Unter bestimmten Bedingungen sollen Rechteinhaber auch einen Auskunftsanspruch auf direktem Wege über die Internetprovider haben. Das könnte die Staatsanwaltschaften künftig entlasten.

Bisher lohnte sich das Geschäft

Den Strafverfolgern schwante, dass sie in diesem Spielchen nur Mittel zum Zweck sind. Haben die Staatsanwälte den Namen und die Adresse der Beschuldigten ermittelt, ziehen die Pornofirmen ihre Anzeige häufig zurück - sie haben alles, was sie brauchen, um die Nutzer mit Abmahnungen und Schadenersatzforderungen zu überziehen. Auch eine Art Geschäftsstrategie. Bei der die Staatsanwälte nicht mehr mitmachen wollen. Die Strafverfolger in Wuppertal und Duisburg beschlossen daher Ende vergangenen Jahres, derartige Strafanzeigen künftig abzuweisen.

Bisher lohnte sich das Geschäft - sowohl für die Hersteller der Filme wie für die Anwälte, die sich auf solche Abmahnungen spezialisiert haben. Von der verlangten Abmahngebühr fließen in der Regel 50 Euro Schadenersatz an den Rechteinhaber, 200 Euro kassiert der Anwalt. In manchen Fällen können die verlangten Gebühren aber auch 1000 Euro und mehr betragen. Für die Staatsanwaltschaften dagegen wird es teuer. Für jede Anfrage bei den Providern müssen sie zwischen 20 und 50 Euro berappen. Viel Geld, für das die Steuerzahler aufkommen müssen.

Die Zahl der Abmahnungen wird auf mehr als 150.000 geschätzt

Immer mehr Kanzleien haben sich auf das lukrative Geschäft spezialisiert. Die Zahl der Abmahnungen, die die Erotikbranche im vergangenen Jahr verschickt hat, wird auf mehr als 150.000 geschätzt. "Die Anwälte können mit einem Serienbrief um die 400 Euro verdienen. Von so einem Honorar kann jeder nur träumen", sagt der Rechtsanwalt Alexander Wachs. Über 4000 Mandanten, die sich gegen eine Abmahnung wehren, hat der Hamburger bisher betreut.

Hilfe suchen jedoch nur die wenigsten, die meisten zahlen schnell und widerspruchslos. "In den Abmahnschreiben werden die Filme explizit beim Namen genannt, die Scham, sich damit an Dritte zu wenden, ist in der Regel sehr hoch", sagt Wachs. Auf diesen Effekt würden die Abmahnanwälte gezielt setzen. Nicht selten landen die peinlichen Schreiben aber woanders. Denn die von den Rechteinhabern ermittelte IP-Adresse führt nicht immer gleich zu der Person, die sich den Film auch runtergeladen hat. In Familien oder Wohngemeinschaften, wo mehrere Menschen sich einen Internetanschluss teilen, werden die Umschläge schnell mal vom Falschen geöffnet.

Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent

Doch den Strafverfolgern in Wuppertal und Duisburg droht wegen ihrer Weigerung jetzt Ärger. Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf gingen zahlreiche Beschwerden von Abmahnanwälten ein. "Im Augenblick befinden wir uns in einem Meinungsbildungsprozess", sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Axel Stahl. "Es war schon sehr deutlich, dass es bei den Anzeigen primär um die Ermittlung der IP-Adressen ging", sagt er. Die beiden Staatsanwaltschaften seien nicht die einzigen, die eine IP-Adressen-Ermittlung unter bestimmten Umständen ablehnten, auch andere Behörden würden die Situation ähnlich bewerten. Bei der Kanzlei KUW Rechtsanwälte, die bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen als besonders fleißig gilt, hat man dafür kein Verständnis. "Es gibt auch Ladendiebstähle in ähnlich hoher Anzahl. Da kann die Staatsanwaltschaft ja auch nicht sagen, sie wolle sich damit nicht beschäftigen", sagt Thomas Urmann. Viele seiner Mandanten würden durch die Produktpiraterie erhebliche Schäden erleiden, manche hätten Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent zu beklagen.

Den Staatsanwaltschaften könnte jedoch eine Verschärfung beim Schutz des geistigen Eigentums zu Hilfe kommen, die der Bundestag jetzt verabschiedet hat. Zum einen sollen Abmahnkosten bei einfachen Verstößen auf 100 Euro begrenzt werden, zum anderen kann ein geschädigter Urheber ohne den Umweg über die Staatsanwälte nun selbst Auskunft verlangen - etwa von Internetprovidern, über deren Dienste mit Plagiaten gehandelt wird. Pornofilmhersteller könnten sich demnach die gewünschten Adressen direkt von den Providern holen. "Es gibt die Mutmaßung unter Kollegen, dass das die Dynamik aus der Sache rausnehmen wird", sagt Staatsanwalt Stahl.

Zunächst muss sich jedoch noch der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf beschäftigen; das Gesetz wird also frühestens im Spätsommer in Kraft treten. So lange sehen auch die KUW-Anwälte keinen Grund, die bisherige Abmahnpraxis zu ändern. Die Staatsanwälte müssen sich vorerst weiter auf schnelle Nummern aller Art einstellen.

FTD