Das von Deutschland im Alleingang beschlossene Verbot riskanter Börsenwetten hat die Finanzmärkte verunsichert. Europaweit standen am Mittwoch die Börsen unter Druck, nachdem bereits die Aktienkurse in New York und Asien nachgegeben hatten. Der Euro rutschte zwischenzeitlich unter 1,2146 US-Dollar und war so schwach wie seit vier Jahren nicht mehr. Immerhin: Er erholte sich am Abend und notierte im späten europäischen Geschäft wieder bei mehr als 1,23 Dollar.
Die Aktienkurse dagegen blieben im Keller. Der Dax in Frankfurt verlor 2,7 Prozent und landete mit 5988 Punkten unter der wichtigen 6000-Punkte-Marke. Auch die anderen europäischen Börsen schlossen deutlich im Minus. Händler verwiesen einhellig auf das Verbot ungedeckter Leerverkäufe, das seit Mitternacht gültig ist. Sorgen bereiteten zudem die Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer, hieß es.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte auf Anweisung der Regierung am Dienstag ungedeckte Leerverkäufe in Aktien von zehn deutschen Finanzkonzernen sowie in Staatsanleihen aus Euro-Ländern verboten. Auch der Handel mit bestimmten Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) auf Anleihen der Euro-Zone wurde untersagt.
Alleingang in der Kritik
Marktteilnehmer zeigten - nicht ganz uneigennützig - wenig Verständnis für die Maßnahmen und kritisierten insbesondere den Alleingang der Bundesregierung ohne internationale Abstimmung. "Nun treiben die Politiker den Teufel mit dem Beelzebub aus", erklärte Hans-Jürgen Haack von den "Bernecker Börsenbriefen". "Die Finanzmarktregulierungen werden den Euro insgesamt eher weiter schwächen, weil das Geld abfließen wird."
Das Frankfurter Bankhaus Metzler nannte die Maßnahmen eine Verzweiflungstat. "Erschwerend kommt hinzu, dass Europa nach wie vor nicht mit einer Stimme spricht, wie der deutsche Alleingang zeigt", sagte ein Experte der Bank. "Dies führt letztlich dazu, dass Investoren verunsichert werden und finanzielle Mittel aus dem Euroraum abziehen."
Auch die Commerzbank, bei der der Staat Großaktionär ist, übte Kritik: Die Schuldenkrise in Europa könnte sich weiter verschlimmern: "Die jüngste Zuspitzung der Schuldenkrise ist nicht auf Spekulanten, sondern vielmehr auf eine durchaus rationale Zurückhaltung bei Investoren und Banken zurückzuführen." Die Politik laufe Gefahr, den Eindruck zu erwecken, man wolle den Markt in eine Richtung zwingen.
Kanzlerin verteidigt nationalen Alleingang
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte dagegen die Verbote. "In den Bereichen, in denen ein nationaler Alleingang Deutschlands keinen Schaden hervorruft, werden wir auch im nationalen Alleingang handeln", sagte sie im Bundestag. Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe bleibe solange in Kraft, bis auf europäischer Ebene anderweitige Vorgaben erreicht seien. Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gilt die Regelung zunächst bis zum 31. März 2011.
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) applaudierte der Regierung. Oberste Priorität habe die Stabilität des Finanzmarktes. "Auch wenn nationale Maßnahmen dabei nur eine beschränkte Wirkung entfalten können, finde ich es richtig, dass Deutschland hier in der Europäischen Union eine Vorreiterrolle einnimmt", sagte VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos.
Leerverkäufe können Kurse ins Wanken bringen
Bei Leerverkäufen verkaufen Anleger, die auf fallende Kurse setzen, Titel von vornherein mit der Absicht, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und so Gewinne einzustreichen. Bei gedeckten Leerverkäufen leihen sich Investoren die zu verkaufenden Aktien. Bei ungedeckten Leerverkäufen decken sie sich nicht mit Aktien ein, sondern verkaufen Aktien, ohne sie ausgeliehen zu haben. Solche ungedeckten Leerverkäufe können Kurse besonders heftig ins Wanken bringen.
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 hatten mehrere Aufsichtsbehörden weltweit zeitweise ungedeckte Leerverkäufe untersagt. In Deutschland waren diese nach einem eineinhalbjährigen Verbot erst Anfang Februar wieder erlaubt worden.