SB-Kassen Der Kunde als Kassierer

Die Selbstbedienungskasse hält Einzug in die Supermärkte: Waren scannen, eintüten, abrechnen muss der Kunde selbst machen. Gewerkschafter sehen schon den nächsten Arbeitsplatzvernichter kommen.

Der nette Plausch mit der Kassiererin gehört für manchen zu jedem Besuch im Supermarkt, doch das wird vielleicht schon bald Geschichte sein. Denn der Einzelhandel hat den nächsten Schritt in die Einkaufswelt von Morgen begonnen: Die Selbstbedienungskasse hält Einzug in die Supermärkte. Waren scannen, eintüten, abrechnen - an der SB-Kasse heißt es: Selbst ist der Kunde. An die Stelle der Kassiererin tritt ein Automat, dessen Stimme höchstens noch sagt: "Bitte führen sie jetzt ihre EC-Karte ein." Während Einzelhändler von mehr Kundenfreundlichkeit schwärmen, sehen Gewerkschafter schon den nächsten Arbeitsplatzvernichter kommen.

"Da ist Bewegung im Markt", sagt Martin Gerling, der Chef des Euro-Handelsinstituts (EHI) in Köln. Viele Einzelhandelsunternehmen arbeiteten daran, SB-Kassen einzuführen. Mancherorts sind die so genannten Self-Checkouts schon im Einsatz: Der Kunde zieht die Ware selbst über den Scanner und bezahlt mit Karte. Als Aufsicht reicht eine Verkäuferin für vier Kassen.

"Das ist längst mehr als Experimentieren"

Jede zehnte Kasse in den USA wird nach Schätzungen schon von Kunden bedient. In Deutschland gab es die ersten SB-Kassen 2003 bei Real, zunächst in Test-Läden. Doch jetzt baut Mutterkonzern Metro verstärkt auf SB. Deutschlandweit sollen am Jahresende rund 200 SB-Kassen in 50 Real- und Extra-Märkten stehen. Selbst der Baumarkt Praktiker startete einen Probelauf. Metro-Sprecher Albrecht von Truchseß betont: "Das ist längst mehr als Experimentieren."

Nun wollen auch Bekleidungshäuser auf den Zug aufspringen. Peek und Cloppenburg testet seit dem Frühjahr zehn "Selbstzahlerterminals" in Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und Berlin. Auch wenn sich der Modehändler dazu noch ausschweigt - in der Berliner Filiale scheuen viele Kunden die Automaten nicht mehr. Und: "Ein Einsatz in weiteren der 67 deutschen Verkaufshäusern ist bereits geplant", teilte das Unternehmen schon im Frühjahr mit. Zumindest den SB-Zahlern in den Modehäusern bleibt aber das Schlange stehen nicht erspart: Die Diebstahlsicherung wird in der Warenausgabe entfernt.

SB-Kassen sind selten eine echte Überholspur

Die SB-Terminals sollen herkömmliche Kassen nicht ersetzen, sondern ergänzen, betonen die Unternehmen. "Wir können uns nicht vorstellen, dass es Geschäfte gibt, die ganz ohne Kassierer auskommen", sagt auch Hubertus Pellengahr, der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Vor allem in Stoßzeiten sollen Kunden aber aus der Warteschlange an SB-Kassen ausweichen können. Das spare Zeit, heißt es bei den Unternehmen.

Dabei ist die "Fast Lane", wie die SB-Kassen etwa bei Real heißen, selten eine echte Überholspur. "Es geht eigentlich langsamer als das bediente Kassieren", hat Handelsexperte Gerling herausgefunden. "Aber der Kunde denkt, er ist schneller, weil er etwas zu tun hat." Zudem schätzten es viele, wenn sie einen Flachmann oder Kondome beim Kauf nicht auf dem Kassenlaufband zur Schau stellen müssen.

Gewerkschaften sehen Arbeitsplätze in Gefahr

Verbraucherschützer wenden nichts gegen die neuen SB-Kassen ein - solange daneben herkömmliche Kassen samt Personal erhalten bleiben. EHI-Forscher Gerling erwartet zumindest in den nächsten fünf Jahren "keine Arbeitsmarkteffekte". Gewerkschafter sahen SB-Kassen daher bisher auch gelassen, doch nun machen sie gegen eine neue Gefahr mobil: ein Mischmodell von Bedien- und SB-Kasse. Dabei läuft die Ware wie gehabt bei einer Verkäuferin übers Band. Diese kassiert aber nicht ab, sondern gibt dem Kunden einen Bon mit, den dieser wie ein Ticket im Parkhaus am Automaten bezahlt.

Ver.di-Handelsexperte Rainer Kuschewski fürchtet, dass das Mischmodell, das Real und Rewe schon in der Praxis testen, tatsächlich alle herkömmlichen Kassen verdrängen könnte. Schon jetzt verteilt der Gewerkschafter Flugblätter dagegen. Kuschewski warnt: "Wenn dieses System ausgeweitet wird, sehe ich im Handel tausende von Arbeitsplätzen gefährdet."

Burkhard Fraune/DPA