Übernahme Schering widersteht Merck

Bei einer Sondersitzung des Aufsichtsrates wird Schering das Übernahmeangebot des Pharmakonzerns Merck wahrscheinlich auch formell ablehnen. Es zeichnet sich ein langer Übernahmekampf ab, bei dem auch die Schering-Mitarbeiter eine Rolle spielen.

Nachdem sowohl der Schering-Vorstand als auch auch Aufsichtsratschef Giuseppe Vita die Offerte bereits öffentlich abgelehnt haben, wird erwartet, dass der Aufsichtsrat bei seiner Sondersitzung am Dienstag das Angebot nun auch formell ablehnt.

Merck-Chef Michael Römer zeigte sich von dem Widerstand unbeeindruckt und stellte in Aussicht, er werde ein "bedeutendes und globales Pharma- und Chemieunternehmen" schmieden. Dafür wirbt Merck auch um die Zustimmung der Beschäftigten des Konkurrenten Schering. "Es ist uns dabei besonders wichtig, dass Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erkennen, warum sich mit dem Angebot auch für Sie eine einmalige Chance verbindet", heißt es in einer Anzeige, die am Dienstag in Berliner Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Der offene Brief an die Schering-Beschäftigten endet mit den Worten: "Wir würden uns freuen, wenn Sie uns dafür Ihr Vertrauen schenken."

Merck erhöht womöglich Angebot

"Mit dem Zusammenschluss werden wir fähig sein, im harten globalen Wettbewerb mit anderen Pharmaunternehmen zu bestehen", sagte Merck- Pharmachef Elmar Schnee in Darmstadt. Der Pharma- und Chemiekonzern Merck schließt nicht aus, sein Übernahmeangebot von 77 Euro pro Aktie für das Berliner Pharmaunternehmen Schering zu erhöhen. Merck werde aber keinen so hohen Preis zahlen, dass die Transaktion am Ende nur mit einer Zerlegung von Schering finanziert werden könne, sagte Aufsichtsratschef Wilhelm Simson am Dienstag in Berlin.

Durch den Zusammenschluss der beiden Pharmakonzerne entstünde ein globales Pharma- und Chemieunternehmen mit einem Jahresumsatz für 2005 in Höhe von 11,2 Milliarden Euro. Die Merck- Führung betonte in Darmstadt, der kombinierte Umsatz von 5,6 Milliarden Euro im Geschäft mit patentgeschützten Medikamenten werde erhebliche Größenvorteile bringen. Mit 30 Projekten in der klinischen Entwicklung sei das Unternehmen gut für die Zukunft aufgestellt. Zudem gewinne Merck durch Schering ein komplettes Vertriebsnetz in den USA und Japan.

"Es passt nicht wirklich gut zusammen"

Der Pharmaexperte der Landesbank Rheinland-Pfalz, Alexander Groschke, bezweifelte, dass die Übernahme zu einem global bedeutsamen Unternehmen führen könne. Das ist eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsbereiche, es passt nicht wirklich gut zusammen", sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA. "Es gibt zwar ein paar Überschneidungen, aber auch damit wird das neue Unternehmen nicht der nationale Champion".

Merck erzielt bisher rund zwei Drittel seines Umsatzes mit seiner Pharma-Branche. Die größten Hoffnungen ruhen hier auf dem Darmkrebsmedikament Erbitux. Weitere Schwerpunkte sind Herz- Kreislauf-Medikamente, Generika sowie Vitamin- und Erkältungspräparate. In seiner Chemiesparte ist Merck beim Geschäft mit Flüssigkristallen für Flachbildschirme Weltmarktführer. Schering ist vor allem als Hersteller von Anti-Baby-Pillen und Krebsmitteln bekannt.

Allianz als Zünglein an der Waage

Schering machte zunächst keine Angaben zu möglichen kurzfristigen Abwehrmaßnahmen. Ein Sprecher verwies in Berlin darauf, dass die Allianz als größter Einzelaktionär "ein sehr geschätzter und seit langem an Schering beteiligter Anteilseigner" sei. Die Allianz selbst, die knapp zwölf Prozent an Schering hält, wollte sich am Montag nicht zu den Übernahmeplänen äußern. Bei Merck wird erwartet, dass Schering den Widerstand aufgeben wird. "Wir haben die feste Erwartung, dass der Schering-Vorstand früher oder später die Attraktivität des Angebotes erkennt", sagte Merck-Finanzchef Michael Becker. Die Darmstädter würden in jedem Fall an ihrem Übernahmeangebot festhalten. Nach seinem Wissen teile die Allianz die Bedenken des Berliner Unternehmens nicht.

Schering soll nach einer Übernahme nicht zerschlagen werden. "Eine Zerschlagung wäre widersinnig", sagte Merck-Aufsichtsratschef Wilhelm Simson. Der Schering-Standort in Berlin werde auch weiterhin eine wichtige Bedeutung haben. Merck plane auch keinen Verkauf des Chemiegeschäfts. "Mercks erfolgreiches Geschäftsmodell in Pharma und Chemie wird durch den Zusammenschluss gestärkt." Einen Stellenabbau schloss die Merck-Führung aber nicht aus. "Natürlich wird es in gewissen Bereichen zu Reduktionen kommen", sagte Merck-Chef Römer. "Der Fokus liegt aber nicht auf Einsparungen, fügte er hinzu. "Wir sind in der Vergangenheit sehr sorgsam mit diesem Thema umgegangen und werden es auch in Zukunft tun."

Zur Finanzierung der Übernahme will Merck auf eine Barmittel und Bankkredite zurückgreifen. Zudem werden sich die Gesellschafter zu einem Eigenkapitalbeitrag in Höhe von einer Milliarde Euro verpflichten. Zur späteren Refinanzierung ist unter anderem eine Kapitalerhöhung geplant. Nach Berechnungen des Finanzdienstleisters Thomson Financial war die einzige größere Übernahme unter deutschen Unternehmen der Kauf der Dresdner Bank durch den Versicherungskonzern Allianz mit einem Volumen von mehr als 25 Milliarden Euro.

Fusionen an der Tagesordnung

Milliardenschwere Fusionen sind in Deutschland gegenwärtig an der Tagesordnung. So schluckt der Linde-Konzern gerade den britischen Konkurrenten BOC für rund 12 Milliarden Euro, Eon will die spanische Endesa für fast 30 Milliarden Euro kaufen und BASF arbeitet seit einiger Zeit an der Übernahme des US-Unternehmens Engelhard. Gerüchte über Zusammenschlüsse speziell in der Pharmabranche kursieren immer wieder. In dieser Industrie haben die Konzern in der Regel eine relativ teure Forschungsinfrastruktur. Wer fusioniert oder einen Konkurrenten übernimmt, kann dabei ebenso sparen wie in der Herstellung und im Vertrieb.

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DPA/AP