Der zentrale Prozess zur Aufarbeitung der VW-Affäre hat vor dem Landgericht Braunschweig mit Befangenheitsanträgen der Verteidiger begonnen. Der ehemalige Volkswagen-Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert ist seit Donnerstag wegen Anstiftung zur Untreue in 48 Fällen und wegen Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz angeklagt. Mit ihm muss sich der ehemalige VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer verantworten. Ihm werden Untreue in 40 Fällen und Anstiftung zum Betrug zur Last gelegt.
Verteidiger lehnen Schöffen ab
Vor dem Landgericht Braunschweig warf Volkerts Anwalt Johann Schwenn der Staatsanwaltschaft vor, sie habe ihre Pressearbeit so gesteuert, dass sie einer Vorverurteilung Volkerts gleichkomme. Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff habe in einem Interview Volkert als "schlimmen Finger" bezeichnet, sagte Schwenn am Donnerstag. Er verlangte, dass die Staatsanwaltschaft ihm ihre Korrespondenz mit den Medien vorlege. Wolff vertritt allerdings in diesem Verfahren nicht mehr die Anklage.
Gebauers Verteidiger Wolfgang Kubicki lehnte einen Schöffen ab, weil dieser bei VW beschäftigt ist. Dessen beide Ersatzmänner lehnte Kubicki ebenfalls ab, weil sie Betriebsräte bei der AWO und einem Tiefbauunternehmen seien. Kubicki befürchtete durch die Schöffen eine Benachteiligung für seinen Mandanten: "Es ist nahezu undenkbar, dass ein Betriebsratsvize das Verhalten von Volkert unvoreingenommen würdigen könnte", sagte Kubicki. Daraus könnte sich ein Nachteil für seinen Mandanten Gebauer ergeben.
"Spezifische Nähe zum Verfahrensgegenstand"
Schwenn lehnte den bei VW als Industriemechaniker beschäftigten Schöffen ebenfalls ab, weil er eine "spezifische Nähe zum Verfahrensgegenstand" habe. Es bestehe Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit, sagte Schwenn. Volkert ist wegen Anstiftung zur Untreue in 48 zum Teil besonders schweren Fällen angeklagt. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Volkert über mehrere Jahre hinweg unter anderem Sonderboni von fast zwei Millionen Euro kassiert, ohne dass er dafür die entsprechende Gegenleistung erbracht hätte.
Laut Anklage soll bei VW durch von Volkert angestiftete Untreue ein Gesamtschaden von rund 2,7 Millionen Euro entstanden sein. Volkert soll zu Unrecht zwei Millionen Euro als Sonderbonuszahlungen erhalten haben. 399.000 Euro sollen von VW an eine ehemalige Geliebte des Betriebsratsvorsitzenden gezahlt worden sein. Knapp 290.000 Euro soll das Unternehmen für Vergnügungsreisen, Einkäufe oder andere berufsferne Veranstaltungen von Volkert oder seiner Geliebten ausgegeben haben.
Gebauer will aussagen
Der früher für die Spesen des VW-Betriebsrats zuständige Mitangeklagte Gebauer soll für Lustreisen und andere Vergnügungen 1,26 Millionen Euro bei VW abgerechnet haben. An insgesamt 9 Prozesstagen sind bisher 18 Zeugen geladen. Das Urteil wird für Ende Januar erwartet. Gebauer kündigte am Rande der Verhandlung an, er wolle vor Gericht aussagen. Ob das noch am Montag stattfinden wird, war zunächst unsicher. Im ersten Prozess im Rahmen der VW-Affäre war Personalvorstand Peter Hartz zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und mehr als 500.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden.
Der Prozess wird von der Braunschweiger Richterin Gerstin Dreyer, die der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts seit 2002 vorsteht, als Vorsitzende Richterin geleitet. Beisitzende Richtern sind Ulrich Broihan und Birgit Allert. Die 47 Jahre alte Dreyer war auch Vorsitzende beim Prozess gegen den ehemaligen VW-Personalvorstand Peter Hartz.