Die Finanzminister der großen Schwellen- und Entwicklungsländer haben bei ihrem Treffen im südkoreanischen Gyeongju einen überraschenden Erfolg erzielt. Entgegen allen Erwartungen im Vorfeld einigten sie sich nach einem Gesprächsmarathon auf eine umfassende Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Damit haben sie nicht nur für den G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in gut zwei Wochen in Seoul ein großes Problem aus dem Weg geräumt. Sie haben auch eine Einigung geschafft, bei der sich alle Seiten ein wenig als Gewinner fühlen können.
Mehr Gewicht für Schwellenländer
Kern des Kompromisses ist: Aufstrebende Schwellenländer wie zum Beispiel China sollen künftig deutlich mehr Gewicht im IWF erhalten, der durch die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise seine Bedeutung als Welt-Stabilitätsrat enorm gesteigert hat. Diese Länder erhalten auf Kosten der zuletzt überrepräsentierten "alten" europäischen Industrieländer gut sechs Prozent mehr Stimmanteile und mehr Repräsentanz in dem Führungsgremium des Fonds. Diese Einigung, die formal noch vom IWF-Direktoriumsrat nachvollzogen werden muss, ist eine Zeitenwende.
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sprach von einem "Traumergebnis". Gewinner ist zunächst einmal der IWF. Der bis vor wenigen Jahren noch in die Bedeutungslosigkeit abdriftende letzte Retter für Krisenländer ist mit der Finanzkrise stärker den je geworden. Er ist inzwischen nicht nur zentrale Drehscheibe zur Koordinierung von Krisenrettungs- und Reformmaßnahmen, er ist das Kompetenzzentrum zur Überwachung der Finanzstabilität in der Welt, der Architekt von Systemreformen in der Weltwirtschaft und der strenge Analytiker nationaler Krisenpolitiken.
Zudem agiert er weiter als geldgebender Retter für finanzbedrohte Staaten - wie etwa jüngst Griechenland. Dieser IWF wird mit der Reform an die massiv veränderten weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse angepasst - und das gibt ihm erheblich mehr Legitimität. Er kann mit weit mehr Recht als Stimme der Welt-Staatengemeinschaft insgesamt auftreten. Er ist nach der Reform nicht mehr das Abbild überkommender Machtstrukturen.
Europäer: Verlierer und Gewinner zugleich
Ein Gewinner ist auch die G20, die sich in den letzten Jahren zum zentralen globalen Abstimmmungsforum in Sachen Weltfinanzreform entwickelt hat. Mit der Einigung zum IWF hat die Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer Handlungsfähigkeit bewiesen. Sie hat Kritikern, die bereits beklagten, in dieser großen Gruppe käme man nur schwer zu Entscheidungen und schaffe allenfalls allgemeine Formelkompromisse, gezeigt: Es geht doch.
Und auch wenn die G20 etwa bislang keinen neuen Handlungsrahmen für eine gemeinsame Währungspolitik entwickelt hat: Auch bei diesem Thema, das in der G20 früher passe war, ist inzwischen etwas in Gang gekommen. Die IWF-Reform kann hierzu einen Impuls beisteuern.
Von außen betrachtet müsste man eigentlich die Europäer, die Gewicht im Fonds abgeben müssen, zu den Verlierern zählen. Das stimmt aber nur vordergründig. Dass die globalen Kräfteverhältnisse sich geändert haben, ist ein Fakt, an dem die Europäer nicht vorbeikommen - auch nicht im IWF. Dass sie Stimmgewichte verloren haben, Sitze im Direktorium, ist richtig.
Aber auch sie müssen ein Interesse an einem starken IWF haben, und sie werden trotz der Reform eine dominierende Position im Fonds behalten, wenn man die Stimmen und Sitze der europäischen Staaten zusammenzählt. Und noch weitergehende US-Forderungen nach einem Zurückdrängen der Europäer im IWF konnten sie immerhin erfolgreich abwehren.
Bittere Pille für die USA
Auch die USA sind - mit Einschränkungen - ein Gewinner. Sie haben sich damit durchgesetzt, den Schwellenländern vor allem auf Kosten der Europäer mehr Gewicht zu verschaffen - und zwar ohne selbst wesentlich zurückgedrängt zu werden. Dass sie es nicht schafften, das Direktorium zu Lasten der Europäer von 24 Sitzen auf 20 zu vermindern, ist eine bittere Pille für die US-Regierung - aber letztlich wohl auch keine Entscheidende. Ein Gewinner darf nicht vergessen werden: die südkoreanische G20-Präsidentschaft. Das Land setzt alles daran, diese Präsidentschaft, das wohl wichtigste Ereignis für Südkorea seit Olympia 1988, zu einem großen Erfolg zu machen. Entsprechend machte es bei dem Treffen sehr viel Druck - mit dem Erfolg, dass man schon einmal etwas Konkretes vorweisen kann.