Gastronomen können sich gegen eine Betriebsschließung versichern, solche Versicherungen sind beliebt. Macht die Behörde den Laden dicht, bekommt der Wirt alle Kosten ersetzt. Beim Abschluss der Police haben die meisten vermutlich nicht an eine Pandemie gedacht. Aber solch eine Versicherung macht auch sonst Sinn – etwa, wenn bei einem Vorfall mit Salmonellen die Küche geschlossen wird.
Jetzt in der Coronakrise sollten diese Versicherten auf der sicheren Seite sein – möchte man denken. Aber "Frontal21" enthüllt, dass das so nicht stimmt. Mit haarsträubenden Begründungen weigerten sich die meisten Versicherungen, für Schäden einzustehen, die durch die Coronakrise entstanden sind, berichtet das TV-Magazin in einem Beitrag, der erstmals am 26. Mai ausgestrahlt wurde. Zu denen, die nicht zahlen wollen, gehörten auch Giganten der Branche wie die Allianz.
In dem Beitrag kommt etwa der Wirt Christian Bickelbacher zu Wort, der sich exakt gegen Schließungen nach dem Infektionsschutzgesetz versichert hat. Nicht nur die Kosten, auch der entgangene Gewinn sollen erstattet werden, liest er vor der Kamera aus dem Vertrag vor. Mit sechs Betrieben macht der Gastronom nun Verluste in Millionenhöhe, doch statt Geld kommt eine Absage. "Ich war ein bisschen perplex", so Bickelbacher. "Leider bestätigt sich der Eindruck, dass Versicherungen genau dann, wann man sie braucht, nicht da sind."
Begründung der Versicherungen: Das Virus ist zu jung
In einem Schreiben der Allianz werde ihm mitgeteilt, er sei über die Betriebsschließungsversicherung für diesen Fall eben nicht versichert. Begründung: Das Coronavirus sei ein neuer Krankheitserreger, der nicht unter die versicherten meldepflichtigen Krankheiten der Police falle. Denn das Corona-Virus sei erst nach Vertragsabschluss meldepflichtig geworden. Anwälte halten die Begründung für haarsträubend, wird in dem Beitrag deutlich.
Bickelbacher hat Klage eingereicht, so wie viele andere auch. In dem Film drängt sich dem Zuschauer der Eindruck auf, die Versicherungen mauern und spielen auf Zeit. Sie argumentieren, flächendeckende Betriebsschließungen aufgrund einer Pandemie seien eben nicht versichert, anders als einzelne Ereignisse in einem Betrieb. Tatsächlich werden die Betriebe von Staat stillgelegt, ohne dass es bei ihnen zu einem Vorfall in der Küche gekommen ist.
Ein anonymer Versicherungsmitarbeiter erklärte "Frontal21", dass die Versicherungswirtschaft auf die Schäden einer Pandemie schlicht nicht vorbereitet sei. Die Kosten dafür seien nicht kalkuliert worden. Der Mitarbeiter geht davon aus, dass am Ende rechtlich im Sinne der Gastronomen entschieden wird. Die europäische Versicherungsaufsicht sieht wohl das ähnlich. Ihr Rat: Die Versicherungen sollten Rücklagen für die Zahlungen im Zusammenhang mit der Pandemie bilden.
"Frontal21" enthüllt weiter, welchen Weg die Versicherungen gehen, um die Kosten zu drücken. Sascha Nüchter führt ein Hotel auf Norderney. Er hat sich bei einer anderen Versicherung abgesichert, auch die zahle nicht. "Ein Frechheit", schimpft er in die Kamera. "Sobald es ums Eingemachte geht, werden Ausflüchte gesucht, um doch nicht in Leistung gehen zu müssen."
Nur 15 Prozent des Schadens
Nüchter hat ein Schreiben seiner Versicherung erhalten, er möge auf alle Ansprüche verzichten, dann würde die Kasse "freiwillig" 15 Prozent des Schadens übernehmen. Nüchter verzichtet auf das Angebot und wird den Klageweg beschreiten.
Sein Nachbar, Andre Libal, hat dagegen das Angebot angenommen. Denn er habe keine andere Wahl, alles Ersparte sei in sein Restaurant geflossen. Wenn er jetzt nicht schnell Geld auftreibe, müsse er Konkurs anmelden.
Jeder vierte Gastronom hat so eine Versicherung, so die Recherche von "Frontal21". Die wenigstens Firmen zahlen, fast alle Versicherten bekämen jetzt derartige Angebote. Zwei von dreien werden sie annehmen, wird geschätzt. Bei ihnen kommt die Branche mit einem Bruchteil der Kosten weg. Die Übrigen müssen klagen. Es kann Jahre dauern, bis der Instanzenweg ausgeschöpft ist und sie ihr Geld erhalten.
Zu den Tricks der Branche gehört laut dem Bericht auch diese Methode: Wenn eine Reihe von Kunden jene Angebote mit 15 Prozent unterzeichnet haben, wird denjenigen, die noch übrig sind und die klagen wollen, ein besseres Angebot gemacht: immer noch weit unter der vollen Summe aber mehr als 15 Prozent. Und so werden im Laufe der Jahre weitere Kläger aus dem Verfahren herausgekauft.
Die Sendung hat auch ein positives Beispiel. Andreas Geiger hat sich im letzten Moment bei der HDI versichert, als das Virus schon in Italien wütete. Diese Versicherung übernimmt den Schaden – anstandslos und ohne Abzüge.
Quelle: Frontal21