Umstrittenes Pflanzenschutzmittel EU-Kommissar: Hersteller sollen Studien zu Glyphosat offenlegen

Um das Pflanzenschutzmittel Glyphosat tobt ein heftiger Streit: Ist es für den Menschen gefährlich oder nicht? Hersteller sollten alle Studien dazu einsehbar machen, fordert nun ein EU-Kommissar.

Im Streit um die Zukunft des Pflanzenschutzmittels Glyphosat in Europa sollen nun die Anbieter die ihnen vorliegenden Studien zu dem Stoff veröffentlichen. Dies sei "vorteilhaft für die Gesellschaft insgesamt und würde die laufenden Debatten und den Entscheidungsprozess erleichtern", heißt es in einem Schreiben des EU-Kommissars für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, an einen Zusammenschluss der Glyphosat-Anbieter.

Als Grund für den Vorstoß führte der EU-Kommissar einen "starken Wunsch der Öffentlichkeit nach voller Transparenz" in Bezug auf die Studien an, die von der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa zur Beurteilung des Krebsrisikos durch Glyphosat herangezogen wurden. Ein "bedeutsamer Teil der Zivilgesellschaft" sei besorgt wegen der unterschiedlichen Beurteilungen von Glyphosat durch die Efsa und die Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC).

Solche Sorgen könne er nicht ignorieren, heißt es in Andriukaitis' Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Er lade daher die Anbieter-Organisation Glyphosat Task Force (GTF) ein, "proaktiv" die Untersuchungen und das zugrunde liegende Datenmaterial zu veröffentlichen. 

Glyphosat: Wunsch nach Transparenz

Zwar müsse der Wunsch nach Transparenz gegen andere "gesellschaftliche Bedürfnisse" abgewogen werden - etwa den Schutz von Privateigentum und des laufenden Entscheidungsprozesses, erklärte Andriukaitis. Allerdings habe das Verfahren zur weiteren Zulassung von Glyphosat ein "außergewöhnliches Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit und Besorgnis" hervorgerufen. Deshalb sei eine Veröffentlichung der Studien sinnvoll.

Die Zulassung des Pestizids läuft in der EU im Juni aus. Kritiker wollen Glyphosat verbieten, weil es laut IARC krebserregend sein kann. Die EU-Kommission dagegen sieht aufgrund von Empfehlungen der Efsa keinen Grund, Glyphosat in der EU vom Markt zu nehmen.

Eine Entscheidung des zuständigen EU-Fachausschusses zur weiteren Zulassung des Mittels war im März vertagt worden, da sich weder für eine Verlängerung noch für ein Verbot von Glyphosat eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten abzeichnete. Die deutsche Position blieb dabei bis zuletzt unklar.

Glyphosat ist das deutschland- und weltweit am meisten verkaufte Pestizid und wird sowohl in der Landwirtschaft als auch in privaten Gärten sehr häufig verwendet. Etwa 40 Prozent der Ackerfläche wird in Deutschland mit glyphosathaltigen Pflanzengiften behandelt. 

Hintergrund: Der Streit um Glyphosat

Seit einiger Zeit streiten Experten darüber, wie gefährlich Glyphosat ist. Die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der WHO hat das Herbizid im März des vergangenen Jahres als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" eingestuft. Die komplette Monographie wurde im Juli veröffentlicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass bei richtiger Anwendung keine Gefahr besteht. Ähnlich sieht das die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa. Sie geht ebenfalls davon aus, dass Glyphosat keine Gefahr für die Gesundheit von Menschen darstellt. Eine Einschätzung, gegen die knapp 100 Wissenschaftler in einem offenen Brief protestierten.

Wie kann es zu so gegenteiligen Ansichten kommen? Kurz gesagt: Die IARC und die Efsa beziehen unterschiedliche Studien in ihre Auswertung mit ein. Die Einschätzung der IARC beruht auf fünf Studien an Mäusen, die vor der Publikation einen sogenannten Peer Review unterzogen, also durch unabhängige Experten auf dem Fachgebiet geprüft wurden. Die Efsa hingegen bezog laut "Nature" in ihre Bewertung auch industriefinanzierte Studien mit ein, nicht alle sind öffentlich. Kritiker werfen der Efsa daher vor, sie fälle ihre Entscheidungen nicht völlig unabhängig von Industrieinteressen. Zudem unterscheiden sich die Efsa und die IARC hinsichtlich ihres Blickwinkels: Die IARC beurteilt die prinzipielle Gefährlichkeit des Stoffs und sein Potenzial, Krebs auszulösen. Die Efsa legt den Fokus auf die Anwendung des Mittels und darauf, ob es bei korrektem Gebrauch ein Risiko darstellt.

lea/AFP

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