Charlotte Roche weiß, was ihre Fans von ihr erwarten. Mit ihren beiden Bestsellern "Feuchtgebiete" und "Schoßgebete" hat sie sich einen Namen als Autorin für saftige Sexszenen gemacht, ihr früherer Moderatoren-Kollege Jan Böhmermann verpasste ihr den Ehrentitel "Bumsbuchtante".
Nicht ohne Grund: Analsex, Intimrasur, Puffbesuche und flotte Dreier - in Roches Universum ist den Figuren keine menschliche Regung fremd. Allerdings gab es bei der früheren Viva-Moderatorin vornehmlich heterosexuellen Geschlechtsverkehr. Mit ihrem dritten Roman "Mädchen für alles" ändert sich das. Im Mittelpunkt steht Christine, Hausfrau und Mutter, die eine Affäre mit ihrem Kindermädchen beginnt. "Ich wollte zwei Frauen, mit denen etwas passiert. Penisse sollten keine Rolle spielen", so Roche.
"Diskussionen übers Muttersein sind erdrückend"
Im Interview mit dem "Spiegel" sprach die Deutsch-Engländerin über ihre Motivation für diesen Stoff. Ihr gehe es vor allem um einen offenen Diskurs über Muttersein in Deutschland. Kaum einer traue sich, die Wahrheit auszusprechen, "dass es unfassbar anstrengend ist, Mutter zu sein", so Roche. "Die Diskussionen übers Muttersein sind in Deutschland so erdrückend." Man werde nicht wirklich darauf vorbereitet: "Niemand sagt einem, dass man nicht mehr schläft, wenn man ein Kind bekommt. (...) Als junge Mutter fühlte ich mich von allen betrogen, die mir gesagt hatten, wie toll es ist, schwanger zu sein und Mutter zu werden." Niemand traue sich, öffentlich über die Probleme zu sprechen. "Verrückt zu sein ist in Deutschland allemal gesellschaftsfähiger, als keine gute Mutter zu sein."
Dieses Thema spielt Roche am Beispiel ihrer Protagonistin Christine durch - und landet bei einem Thema, das sie schon in "Feuchtgebiete" beschäftigt hat: dem Optimierungswahn, der insbesondere auf Frauen laste.
"Mädchen für alles" mag weniger autobiografisch sein als ihre vorherigen Bücher, doch in einem Punkt ähnelt die Schriftstellerin ihrer Hauptfigur: Beide sind passionierte Seriengucker. "Ich gucke ohne Probleme vier, fünf Stunden am Tag", gestand Roche. "Im Grunde habe ich alles, was sehenswert ist, schon zu Ende geguckt." Das habe durchaus suchtartige Züge: "Wenn man süchtig ist, redet man nicht gern über den Konsum von Drogen."