"Ben Hur Live" So ist die größte deutsche Bühnenshow gescheitert

  • von Johannes Schneider
Als episches Spektakel sollte "Ben Hur Live" weltweit Hallen füllen. Jetzt ist die 20-Millionen-Produktion pleite. Über eine Vision, die im Desaster endete.

Mit finanziellen Engpässen kennt Franz Abraham sich aus. Schon 1992 häufte der Rosenheimer Veranstalter mit einem Münchner Musikfestival reichlich Schulden an. Doch die Probleme von damals verblassen angesichts der Notlage, in der sich Abraham heute befindet: "Ben Hur Live", sein jüngstes Kind, die größte und teuerste deutsche Bühnenshow aller Zeiten, ist pleite. Am vergangenen Mittwoch stellte Abraham den Insolvenzantrag, mehr als 200 Gläubiger warten auf ihr Geld. Sein Plan, mit der Show die Arenen der Welt zu erobern, ist nach nur fünf Monaten gescheitert.

Ein sauber durchkalkuliertes Vorhaben ist "Ben Hur Live" nie gewesen. Nicht umsonst suchte Abraham jahrelang vergeblich nach Investoren. Alle potentiellen Geldgeber winkten ab - zu groß, zu teuer, zu risikoreich war ihnen das Live-Spektakel. Abraham machte trotzdem weiter, die zögerlichen Banken nannte er "komplett fantasielos". Als Zwölfjähriger hatte er "Ben Hur" im Kino gesehen - den Stoff auf die Bühne zu bringen, war sein Traum, den er gegen alle Widerstände verwirklichen wollte. Am Ende versuchte er, das 20 Millionen Euro teure Projekt mit seiner Firma Art Concerts im Alleingang zu stemmen. Das war mutig, wirtschaftlich vernünftig war es weniger.

Zu geringer finanzieller Spielraum

Denn eine Show von der Größe von "Ben Hur" braucht finanziellen Spielraum. Die derzeit einzige Liveshow mit vergleichbarem Aufwand, "Dinosaurier - Im Reich der Giganten", ist eine internationale Produktion. Zu ihren Geldgebern gehört unter anderem BBC Worldwide, die kommerzielle Tochter der BBC, die Produktionen dieser Art vermarktet. Solch finanzstarke Investoren können zur Not auch ein paar schlechter besuchte Auftritte überbrücken. Franz Abraham konnte das nicht. Mit den Gehaltszahlungen für seine Crew war er nach eigener Aussage schon seit Monaten vier bis sechs Wochen in Verzug, und auch bei Hotels und Partnerfirmen gab es schnell Rückstände.

Und dennoch: Wenn die Hallen voll gewesen wären, hätte sich auch "Ben Hur Live" gerechnet. Doch zu häufig blieben Plätze frei. Warum? Eine alte Hollywood-Regel besagt, dass ein Film nur dann richtig teuer werden darf, wenn klar ist, dass er den Massengeschmack treffen wird. So ist James Camerons Fantasy-Spektakel "Avatar" nicht nur aufgrund seiner neuartigen 3D-Ästhetik der erfolgreichste Film aller Zeiten, sondern auch, weil der Plot des Films für jeden Geschmack etwas bietet: ein bisschen Liebe, ein bisschen Action, ein bisschen Botschaft.

Kein Stoff für die Massen?

Überträgt man dieses Prinzip auf die Bühnen-Liveshows "Ben Hur" und "Im Reich der Giganten" wird schnell klar, wer den Wettbewerb gewinnt: Spätestens mit Steven Spielbergs "Jurassic Park" haben Dinosaurier ihr kommerzielles Potential unter Beweis gestellt. Ihr großer Vorteil ist, dass sie beliebt sind bei Kindern - der Dino-Besuch wird zum Familienerlebnis.

Dagegen ist das Sandalen-Epos um Ben Hur vergleichsweise spezieller Stoff. Zwar war der Film mit Charlton Heston seinerzeit ein finanzieller Volltreffer, der mit elf Oscars ausgezeichnet wurde. Allerdings ist das ein halbes Jahrhundert her - vielen Jüngeren sagt Ben Hur eher wenig. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass die Geschichte auch heute noch Hollywood-Qualitäten hat, so wird ihr Potential in "Ben Hur Live" womöglich durch eine zu spezielle Umsetzung geschmälert: Die Schauspieler parlieren ausschließlich in Latein und Aramäisch, ein Erzähler führt in der jeweiligen Landessprache durch die Handlung. Der Kniff mit den altertümlichen Sprachen steigert zwar die Authentizität, ob er aber auch die Massenkompatibilität erhöht, darf bezweifelt werden.

Die Show war eine Nummer zu groß

Dazu passt, dass Abraham die Lösung seiner Probleme im sogenannten "Bible Belt" der USA sah. Dort wollte er mit "Ben Hur Live" eine große Tournee starten. Bei den strenggläubigen Protestanten im amerikanischen Südosten, so sein Kalkül, würde die Geschichte des jüdischen Prinzen Judah Ben Hur, der sich dem Christentum zuwendet, besser ankommen. Es ist bezeichnend, dass Abraham ein spezielles Publikum für seine spezielle Show gesucht hat.

Ein besserer Weg wäre es vermutlich gewesen, "Ben Hur Live" von Anfang an etwas kleiner anzulegen. Doch über eine Verkleinerung der Show dachte Abraham zu spät nach. Als er "Ben Hur Live" entwickelte, war sein Motto klar: groß oder gar nicht. 400 Akteure, dazu 40 Rassepferde, 12 Tonnen Lichttechnik, 310 Lautsprecher, 1000 unterschiedliche Kostüme, mehr als 4000 Requisiten - das war wohl doch zu viel für einen Stoff, dem die ganz große Zugkraft fehlt.

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