Sie strich sich gedankenverloren durch die Haare (1) – frustriert, weil man sie so lange warten ließ (2). Dabei wollten sie bei dem schönen Wetter doch nur draußen sitzen, um ein Bier zu trinken (3). Überhaupt fühlte sie sich ja immer schon unglücklich (4), aber selbst der neue Haarschnitt half nicht. Nach dem Friseurbesuch sah sie schlimmer aus als zuvor (5). Sollte sie vielleicht anrufen? Nur einmal kurz klingeln lassen, und auf Rückruf warten? Kostet ja auch weniger (6). Diese Enttäuschung - das erste Mal machte sie ihr noch nichts aus. Beim zweiten Mal nahm sie sie hin. Aber kein drittes Mal mehr. Nein, kein drittes Mal (7).
611 Zeichen und elf Sätze enthält dieser kleine Absatz über eine Frau, die vergebens wartet. Er ließe sich auch in nur sieben Wörtern erzählen – zugegeben, nicht unbedingt auf Deutsch. Aber auf Japanisch, Tschechisch und Norwegisch. Denn in diesen Sprachen gibt es tatsächlich je ein Wort für Dinge, für die man im Deutschen einen ganzen Satz benötigt.
- Also, hier noch einmal in Kürze:
- 1.Cafuné - sich gedankenverloren/zart durch die Haare streichen (brasilianisches Portugiesisch)
- 2.Iktsuarpok - Frustration, weil man warten gelassen wird (Inuit)
- 3.Utepils - bei Sonnenschein draußen sitzen und ein Bier trinken (Norwegisch)
- 4.Shlimazl - eine chronisch unglückliche Person (Jiddisch)
- 5.Age-Otori - nach einem Friseurbesuch schlechter aussehen als vorher (Japanisch)
- 6.Prozvonit - jemanden aus Sparsamkeit nur anrufen, einmal klingeln lassen und darauf warten, dass derjenige sich zurückmeldet (Tschechisch)
- 7.Ilunga - jemandem einen Fehler das erste Mal verzeihen, beim zweiten Mal noch tolerieren, aber nicht beim dritten Mal (Tshiluba, Sprache im Kongo)
Weil diese Bezeichnungen durch zu viele Worte irgendwie ihren Zauber verlieren, illustriert die neuseeländische Designerin Anjana Iyer sie einfach – hundert im Englischen nicht vorhandene Begriffe. Und auch so gut wie nie im Deutschen. "Found in Translation" ist Teil des "100 Days Project", bei dem Künstler, Kreative und andere sendungsbewusste Menschen ihre Ideen je einhundert Mal in einhundert Tagen variieren.
Auffällig bei Anjana Iyers Wortplakaten ist die Häufigkeit deutscher Wörter: Schadenfreude, Fernweh, Schilderwald zum Beispiel. Oder das hübsche, wenn auch etwas aus der Mode gekommene Backenpfeifengesicht. Das gab es jüngst auch auf der US-Seite Buzzfeed zu lesen. Die Autoren hatten 16 deutsche Wörter ausgegraben, die "perfekt ausdrücken, wie Sie sich gerade fühlen." Darunter sind beinahe vergessene Kleinode wie der Kummerspeck und das Bratkartoffelverhältnis, aber auch beinahe unbekannte Wörter wie Drachenfutter, ein Wiedergutmachungsgeschenk.
Wer Spaß an unübersetzbaren Wörtern aus anderen Sprachen hat, wird auch fündig bei
- der "Süddeutschen Zeitung", die unter anderem erklärt, wie Ungarn es nennen, wenn jemand Hemd trägt, aber keine Hose
- als ABC grafisch dargestellt – ein Tumblr-Blog unter anderem mit dem schottischen Wort für den Moment, in dem einen der Namen des anderen nicht einfällt
- Beinahe ein Klassiker: Die Seite "Bedrohte Wörter" von Bodo Mrozek. Der Autor sammelt Begriffe und Bezeichnungen, die niemand mehr benutzt oder kurz davor sind, zu verschwinden. Etwa Hupfdohle, Xanthippe und Bandsala
- - die Kollegen von Neon sind auf ihrer Seite Neon-Wortschatz ständig auf der Suche nach Wörtern, die es bisher nicht gibt: etwa für das Schamgefühl beim Aufwachen nach einer durchzechten Nacht.