Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten Wulff macht sich (ein bisschen) locker

Die Mehrheit der Deutschen hält die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten für verzichtbar - wohl auch deshalb, weil sie meist steckensteif und staatstragend daher kommt. Nun setzt der Neue auf Schloss Bellevue vorsichtig andere Akzente.

Fakt ist: 79 Prozent der Bundesbürger könnten auch ganz gut ohne die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten leben. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des stern. Möglicherweise hat sich der Neue auf Schloss Bellevue das zu Herzen genommen - in jedem Fall hat er sich entschlossen, die Ansprache nicht mehr so steckensteif wie seine Vorgänger zu präsentieren, die nach alter Tradition am Schreibtisch sitzend und vor der Deutschlandfahne redeten.

Wulffs hielt seine Ansprache, die vor einigen Tagen aufgezeichnet wurde, im Stehen vor dem Weihnachtsbaum im großen Saal des Schlosses - und vor Publikum. 200 Einladungskarten hatte das Bundespräsidialamt kurzfristig verschickt, 190 Menschen kamen: Schüler, Pfadfinder, Ehrenamtliche, Vertretreter von Orden, Bundeswehr, Polizei und Landessportbund. Sie erlebten ein Premiere mit Pannen: Bei der ersten Aufzeichnung versagte die Technik, bei der zweiten husteten zu viele Zuhörer. Also klappte es, wie bei Wulffs Wahl, erst beim dritten Mal.

Das Leitmotiv der "bunten Republik"

In seiner Ansprache ermunterte Wulff zu mehr Solidarität. "Jeder muss spüren: Ich gehöre dazu, ich werde gebraucht." Den Ehrenamtlichen im Publikum dankte der Bundespräsident für ihr Engagement und kredenzte ihnen eine Erkenntnis der Wissenschaft. "Wer sich so engagiert, bekommt viel zurück. Ehrenamtliche leben übrigens auch länger." Auch Wulffs Ehefrau Bettina und die Söhne Leander und Linus waren unter den Zuhörern.

Wulff griff auch das Thema Integration auf, mit dem er ("Der Islam gehört zu Deutschland") gleich zu Beginn seiner Amtszeit heftige Kontroversen ausgelöst hatte. "Unsere Gesellschaft ist frei und bunt", sagte er. Und: "Damit eine Gesellschaft aus so vielfältigen Menschen Bestand hat, brauchen wir vor allen Dingen: Respekt. Respekt vor dem, der anders ist als man selbst. Und Anerkennung auch seiner Leistungen."

Spielecke noch nicht eingerichtet

Nach der Ansprache, die ARD und ZDF an diesem Weihnachtsabend zeitversetzt senden, zeigte Wulff den Eingeladenen seinen Amtssitz. In seinem Amtszimmer gibt es zwar die Spielecke noch nicht, die Wulff für seine Kinder einrichten lassen will, aber immerhin waren bereits die Stofftiere des Nachwuchses zu sehen. "Wissen Sie, was die meisten von ihren Eltern gern hätten? Mehr Zeit. Das wünschen sich meine Kinder übrigens auch", hatte Wulff kurz zuvor in seiner Ansprache gesagt.

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lk/dpa