Werner Faßbinder hat vier Jahrzehnte gearbeitet, in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, ein Häuschen abbezahlt und nebenher noch etwas Geld gespart. "Für mehr Wohlstand im Ruhestand." Jetzt ist Faßbinder 65 Jahre alt - und fühlt sich "ziemlich gelinkt". Vor fast vier Jahren zahlte er 50000 Euro in eine private Rentenversicherung bei der Asstel (Gothaer-Gruppe) ein. "Geködert haben die mich mit einer Sofort-Rente von 336,70 Euro monatlich", sagt Faßbinder. Doch die gab es nur ein Jahr lang. Danach sank die "RenteKomfort" treppchenweise - zuletzt auf 264,50 Euro pro Monat. Und es kann noch weniger werden. Garantiert werden von der Asstel lediglich "243,70 Euro monatlich - für 15 Jahre". Danach bekommt Faßbinder weiter Rente, eine Mindesthöhe ist jedoch nicht mehr garantiert.
So wie ihm ergeht es derzeit Zehntausenden Versicherten: Sie erhalten nicht die Auszahlungen, die ihnen einst in Aussicht gestellt wurden. Und dies könnte noch viel mehr Deutschen blühen. Insgesamt 15 Millionen private Rentenpolicen wurden bisher abgeschlossen.
Pech? Unvermögen? Werbefalle?
Pech? Unvermögen? Werbefalle? Von allem etwas. Und nicht nur bei der Asstel. In den privaten Rentenkassen herrscht Ebbe. "Einige Anbieter haben sich drastisch verkalkuliert", sagt Manfred Poweleit, Chef des Fachinformationsdienstes "map-report". Dabei klingt die Idee der Privatrente ganz einfach: Die eingezahlten Beiträge werden am Kapitalmarkt gegen Zins angelegt - und zum verabredeten Rentenbeginn den Kunden in kleinen Monatshäppchen wieder ausgezahlt. Jedes Häppchen besteht aus einem zurückgezahlten Beitrag, dessen garantierter Verzinsung - und der sogenannten Überschussbeteiligung, einer zusätzlich erwirtschafteten Verzinsung.
In der Praxis sieht das so aus: Bei 33 von 69 Versicherungen, die die Analysefirma Assekurata befragt hat, beträgt die Überschussbeteiligung laufender Renten für das Jahr 2007 exakt null. Weitere 32 Anbieter bringen es auf weniger als ein Prozent. Zwei schaffen genau ein Prozent. Nur der Direktversicherer Europa und der Volkswohl Bund aus Dortmund gewähren ihren "Rentnern", die vor Juli 2000 eine Police abgeschlossen haben, noch etwas mehr als ein Prozent Überschuss. Kaum besser sehen die Zahlen für später geschlossene Verträge aus - die monatlichen Auszahlungen sinken. Sicher ist nur noch der Garantiezins.
Gut zu wissen
Mehr Geld im Alter - auch ohne private Rentenversicherung
Sparangebote
Riester-Sparen: Die staatlich geförderte Zusatzrente gibt es auch als Fonds- oder Bank-Sparplan. Bei diesen beiden Varianten spielen Langlebigkeitsrisiken und Geschlecht des Sparers keine Rolle, schmälern nicht die Renditechancen. Riester-Fonds bieten alle namhaften deutschen Investmentgesellschaften. Stiftung Warentest empfiehlt unter anderem die Angebote von Union (Volks-/Raiffeisenbanken), DWS (Deutsche Bank) und Deka (Sparkassen). Das äußerst sichere und kostengünstige Riester-Banksparen gibt es bei vielen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Wichtig: Alle Riester-Verträge garantieren zum Rentenbeginn mindestens die eingezahlten Beiträge plus staatliche Zulagen - auch die Fonds. Es gibt auch noch "fondsgebundene Riester-Rentenversicherungen". Die sind nicht besser, aber oft teurer als "Riester-Fondssparen". Deshalb: Nicht verwechseln.
Auszahlangebote
Fonds-Auszahlpläne: Alle großen deutschen Fondsanbieter bieten Renten-Auszahlpläne an. So funktioniert's: Ruheständler investieren ihr Erspartes einmalig in schwankungs- und risikoarme Renten-, Geldmarkt- oder Immobilienfonds. Dieser Betrag inklusive Verzinsung wird über einen vereinbarten Zeitraum als Rente wieder ausgezahlt. Beispiel: Eine Anlage von 50000 Euro ergibt eine sofortige Monatsrente von rund 380 Euro - drei Prozent Ausgabeaufschlag eingerechnet - für 15 Jahre Auszahldauer. Einberechnet sind fünf Prozent jährlicher Wertentwicklung (entspricht dem Durchschnitt von Euro-Rentenfonds in den vergangenen zehn Jahren) und die komplette Auszahlung ("Kapitalverzehr") des eingesetzten Betrags.
Bank-Auszahlpläne: Die Direktbank ING-Diba bietet zum Beispiel ab einer Anlage von 10000 Euro einen monatlichen Auszahlplan für 5 bis 20 Jahre an. Garantierte Festzinsen für die gesamte Laufzeit: 3,5 bis 4 Prozent pro Jahr - je nach Auszahldauer. Beispiel: Eine Einmalzahlung von 50000 Euro garantiert für 15 Jahre eine Monatsrente von 362 Euro, bei 20 Jahren Anlagedauer monatlich 301 Euro. Besondere Pluspunkte: sicher und kostenlos.
Und wie begründen die Asstel und andere Versicherer die Misere? Dem Kunden Faßbinder teilte man zuerst per Callcenter-Agentin, dann per Post mit: "Die Auswirkungen der steigenden Lebenserwartung und der Kapitalmarktentwicklung lassen die Aufrechterhaltung des bisherigen Überschussniveaus nicht mehr zu." Im Detail: Die "restliche Lebenserwartung" des 65-Jährigen beträgt laut neuester "Sterbetafel" nicht mehr 21, sondern 24 Jahre. Ließe sich dies durch clevere Geldanlage wieder ausgleichen? Kurzfristig nicht.
Damit generell das Kalkül der Privatversicherer aufgeht, darf nämlich zweierlei nicht passieren: Die Zinsen am Finanzmarkt dürfen nicht über einen langen Zeitraum unter einen früher kalkulierten Wert fallen. Und die Kunden dürfen nicht viel länger leben als einst berechnet. Doch beides ist eingetroffen. "Einige Versicherer hätten wohl ihre Renten unter den Garantiewert kürzen müssen - wenn sie es denn könnten", sagt Branchenkenner Poweleit. Aber noch schlimmer als der juristische Ärger wäre der öffentliche Aufschrei: ein Tabubruch, die Bankrotterklärung der ganzen Zunft.
Doch selbst den garantierten Minimalzins - für neue Verträge mit 2,25 Prozent historisch niedrig - trauen sich manche offenbar nicht mehr zu. Etwa ein Dutzend Versicherungen wollen tricksen: Überschüsse, die bislang jährlich dem Kunden zustehen, sollen eingesetzt werden, um mögliche spätere Lücken bei seiner garantierten Verzinsung zu stopfen. Über solche Klauseln müssen Verbraucher vor Vertragsabschluss ausdrücklich und klar verständlich informiert werden, mahnt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Hinweise nur im Kleingedruckten hat die Aufsicht bereits gerügt, rückwirkende Aufweichungen der Garantien für illegal erklärt.
Statt einen großen Betrag auf einmal einzuzahlen, kann auch über lange Zeit in einer Rentenpolice angespart werden. Aber: "Viele private Rentenversicherungen rechnen sich nur noch für einen Kunden, der deutlich älter als 90 Jahre wird", sagt Heinrich Bockholt, Professor für Finan-zierung an der Fachhochschule Koblenz. Beispiel: Eine 30-jährige Frau zahlt 30 Jahre lang jeden Monat 100 Euro in eine pri-vate Rentenversicherung ein. Dafür wird eine garantierte Rente von rund 180 Euro im Monat versprochen. Würde die Sparerin denselben Betrag genauso lange zu vier Prozent anlegen, stünde ihr mit 60 ein Kapital von knapp 70000 Euro zur Verfügung. Würde sie dann das Ersparte zu drei Prozent Jahreszins anlegen, könnte sie sich selbst eine Monatsrente von rund 175 Euro auszahlen - ohne dabei einen Cent ihres Vermögens zu verbrauchen. Das wissen auch die Versicherungen. Ein beliebter Ausweg: Die Risiken sinkender Renditen und steigender Lebenserwartung werden auf den Kunden abgewälzt. Das entsprechende Angebot nennt sich "fondsgebundene Rentenversicherung". Im Jahr 2005 war bereits fast jeder vierte Neuabschluss eine solche "Fonds-Police". Sie soll, so die Werbung, mehr Profit bringen. Begründung: Der Sparanteil wird in Investmentfonds angelegt, je länger die Spardauer, desto mehr in Aktienfonds. Viele dieser Fonds-Policen sind aber nichts anderes als geschminkte Sparverträge. Und eine Garantie für eine spätere Rente bieten rund die Hälfte solcher Angebote nicht. "Das Wort ,Rentenversicherung" ist in diesem Fall falsche Etikettierung", sagt Michael Franke, Mitinhaber der Analysefirma Franke & Bornberg in Hannover.
Fonds-Versicherung bringt bis zur Hälfte weniger
Obendrein ist es kein gutes Geschäft. Der Vergleich zwischen einer Fonds-Versicherung und dem Sparen mit ganz gewöhnlichen Fonds zeigt: Die Versicherungsvariante - ob mit oder ohne Garantie-Rente - bringt bis zur Hälfte weniger. So verspricht eine Fonds-Police einem heute 35-Jährigen in 30 Jahren ein Kapital von rund 75000 Euro. Reines Fondssparen bei gleichen Annahmen brächte ihm mehr als 140000 Euro (Rechnung unter www. stern.de/privatrente).
Nach dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert ..." greifen manche Versicherer zu einem Trick: Sie geben Neukunden Verträge mit höheren Gesamtgutschriften als Altkunden. Gesamtgutschriften sind Garantiezins plus Überschussbeteiligung. Damit landen sie dann in den Vergleichslisten, die Berater und Finanzzeitschriften gern zeigen, auf den guten Plätzen. So verfahren unter anderem Asstel, Gerling und Victoria. Solche "Schaufenster"-Prozente sind zwar erlaubt, Einsteiger sollten sich bei der Angebotsauswahl aber nicht davon blenden lassen, sondern nur garantierte Leistungen vergleichen.
Das hilft, den Ärger, den jetzt zum Beispiel Werner Faßbinder hat, zu vermeiden. "Wegen 25 Euro mehr Monatsrente und tollen Empfehlungen in der Finanzpresse hatte ich mich für die Asstel und gegen meinen alten Versicherer entschieden - mittlerweile bekäme ich beim alten deutlich mehr heraus." Die Asstel tönte in ihrer Werbung: "Mit dieser Rente können Sie was erleben - garantiert". Kunden wie Faßbinder wissen mittlerweile auch, was.