Vier Jungs sitzen in einem Whirlpool, lachen, kreischen. Ein weiterer tritt an den Beckenrand, quetscht zwei Hände voll Hotel-Shampooflaschen in das Wasser, bis es schäumt. Wenig später zeichnet die Kamera ein beinahe philosophisches Gespräch über Masturbation auf: "Kennt ihr das, wenn ihr hammergeflasht seid von einem Mädchen und ihr dabei nicht an sie denken wollt? Dann fühl ich mich irgendwie voll scheiße." Hormonrausch im Schaumbad. Doch Kim, Gunnar, Puffi, Flo und Kai sind keine gewöhnlichen Teenies, sie sind auf dem Weg, Popstars zu werden – mit einer Band namens Echt.

"Es gibt viele Musikfilme, in denen eine Heldengeschichte erzählt wird. Genau das wollte ich nicht", sagt der ehemalige Sänger Kim Frank, der heute als Filmemacher arbeitet. Für einen Dreiteiler, der Aufstieg und Ende von Echt dokumentiert, sichtete er 240 Stunden Videomaterial; die Kamera war damals immer dabei gewesen. "Ich wollte uns nicht cooler darstellen, als ich uns beim Sehen der Tapes empfunden habe, ich wollte ehrlich sein." Also wählte er ungeschönte Aufnahmen wie die aus dem Hotelpool, zeigt Streitgespräche, pickelige Gesichter, Kotzen nach einer Partynacht. Auch ernste Themen klingen an, Frank erzählt von seinen Panikattacken, spricht über Unsicherheiten mit dem eigenen Körper, über die Depression von Gitarrist Kai Fischer.
Die fünf Flensburger kennen sich seit ihrer Kindheit, begannen als Schülerband; ein ehemaliger Schüler managte sie. Ihr Debütalbum "Echt" erschien 1998, dem Jahr, in dem deutscher Hip-Hop Welle machte, Die Ärzte "Männer sind Schweine" sangen und Oli P. "Flugzeuge im Bauch" hatte. In der deutschen Musiklandschaft gab es eine Nische für eine Boyband mit Instrumenten, eine, die nicht gecastet war, sondern aus Freunden bestand. Kim und Co. waren im selben Alter wie ihre Fans, schlugen mit ihren Texten mitten in deren Lebensrealität ein: "Wir haben’s getan. Es war das erste Mal, und wir fühlten uns so nah."
Songs mit Teenie-Themen und Artikel über sie in der "Bravo" machten es ihnen zunächst schwer, ernst genommen zu werden. Beim zweiten Album "Freischwimmer" änderte sich das. Die Texte wurden erwachsener, die Menschen, die zu den Konzerten gingen, diverser. Die Tränen aus dem Trennungssong "Weinst du?" sind schließlich universell, und "Du trägst keine Liebe in dir" ist ein Konsenssong, der die Überlegenheit gegenüber Verflossenen ausdrückt. Beide waren Top-Ten-Hits.
Jürgen Drews outet sich als Fan: "Du machst das gut"
"Echt – Unsere Jugend" ist so auch eine Reise in die Fernsehlandschaft und Popwelt der späten 90er- und frühen Nullerjahre. Backstage grüßt Kim Frank Mitglieder von Mr. President, klopft an die Garderobentür von "GZSZ"-Star Alexandra Neldel, Sabrina Setlur küsst ihn auf die Wange. Zu fünft sitzen Echt in dieser Zeit bei Stefan Raab, treten bei "Wetten dass..?" auf, Frank ist Talkgast bei Harald Schmidt. Um ein breites Publikum zu erreichen, nehmen sie auch die uncoolen Sendungen mit. Hinter den Kulissen des "ZDF-Fernsehgarten" geht Jürgen Drews auf Kim Frank zu und outet sich als Fan. "Du machst das gut, richtig gut."
Und was wäre eine Coming-of-Age-Geschichte, gäbe es nicht auch eine funkelnde Lovestory in ihr? Alle Bandmitglieder finden ihre erste Liebe, doch Franks ist jene, für die sich die Boulevardmedien am meisten interessieren. Der 17-Jährige lernt die 25-jährige Bravo-TV-Moderatorin Enie van de Meiklokjes kennen. Die beiden werden ein Paar. In einer Szene berichtet er den anderen Jungs von der ersten Nacht, die er mit Enie erlebt hat. Er sagt nicht viel, aber seine Mimik steht auf "schwer verknallt". Eine Szene, zum Zurückspulen schön. Das ist das Tolle an Geschichten vom Erwachsenwerden: Man durchlebt die Gefühle von einst noch einmal, kann das Geschehen aber aus sicherer Distanz betrachten.
Die Beziehung von Enie und Kim hält nicht allzu lang, sei vielleicht sogar "der Anfang vom Ende von Echt" gewesen, heißt es im Film. Die Texte auf dem dritten Album "Recorder" schrieb die Band erstmals komplett selbst, bei der Musikpresse kam die Platte gut an. Trotzdem lösten sich Echt 2002 auf. "Wir hatten einen völlig unterschiedlichen Lifestyle, die anderen führten normale Leben, ich wurde ständig erkannt", erzählt Frank. Er konnte und wollte nicht bescheiden bleiben, wie es seine Bandmitglieder vielleicht von ihm erwartet hätten. "Ich wollte das Stadion, die anderen wieder in kleineren Clubs spielen." Es sei schmerzhaft gewesen, zu sehen, dass nicht mehr alle die gleichen Ziele hatten. Immerhin: "Wir haben uns zum richtigen Zeitpunkt getrennt. Hätten wir das noch zwei Jahre länger durchgezogen, wären wir uns heute vielleicht nicht so nah."
Auch dank der Dokumentation sehen sich die fünf jetzt wieder regelmäßiger. "Sie sind genau die gleichen Dudes wie damals. Ehrlich!", sagt Kim Frank. Hat er sich bis dahin sehr bedacht ausgedrückt, bricht das Lachen nun aus ihm heraus. Der Kim von damals, er leuchtet durch.
Der stern hat Echt-Sänger Kim Frank anlässlich der TV-Dokumentation gesprochen. Das Interview finden Sie hier.