Seat Ibiza 1,9 TDI Der Ballermann

Die abgedroschene Plattitüde vom feurigen Südländer - sie ist nicht tot zu kriegen. Der Seat Ibiza mit dem 130 PS Diesel-Dampfhammer tut aber auch alles, um in dieses Klischee zu passen.

Die abgedroschene Plattitüde vom feurigen Südländer - sie ist nicht tot zu kriegen. Der Seat Ibiza mit dem 130 PS Diesel-Dampfhammer tut aber auch alles, um in dieses Klischee zu passen. Wir waren mit dem nagelnden Spanier auf Polo-Basis unterwegs.

Seit Ex-Alfa-Designer Walter Da Silva bei Seat den Pinsel schwingt, haben biedere Formen und platte Metallflächen ausgedient. Dem in diesem Jahr vorgestellten Ibiza ist der Machtwechsel im Seat-Designbüro optisch gut bekommen. Vor allem das fies grinsende Gesicht des kleinen Spaniers will so gar nicht zum eher biederen Image der Kleinwagen-Konkurrenz passen.

Pfeilförmige »Nase«

Wo noch beim Vorgänger ein Allerwelts-Gesicht auf die Straße schielte, versucht beim aktuellen Ibiza ein böses Grinsen den Betrachter einzuschüchtern. Im Mittelpunkt der völlig neuen Linienführung steht eine pfeilförmige »Nase«, die sich über die Motorhaube bis zum Kühlergrill zieht. Dort prangt das mächtig gewachsene Marken-Logo, eingerahmt von flachen Klarglasscheinwerfern. Den Abschluss der imposanten Front bildet ein üppig dimensionierter Lufteinlass in der Frontschürze.

Gerade Metallflächen sucht man auch bei der Seitenansicht vergebens. Sowohl vorne als auch hinten sind die Radhäuser deutlich ausgestellt. Schick, aber im Alltag unpraktisch: die hohe Seitenlinie mit den kleinen Seitenscheiben. Vor allem enge Parklücken verkommen dadurch zu kaum überwindbaren, schwarzen Löchern.

»Geklaute« Heckleuchten

Üppige Formen kennzeichnen das Ibiza-Heck. Die große Heckklappe schmückt sich mit mandelförmigen Rückleuchten und einem großen Seat-Logo, mit dem sich gleichzeitig der Weg zum Kofferraum freimachen lässt. Die Rücklichter sind eine einzige Kampfansage an Alfa Romeo - Die einzelnen Leuchten sind mit runden Chromringen eingefasst. Ähnlich verziert wurde auch schon der Alfa 147 zum Bestseller.

Obwohl sich der Ibiza seine Bodengruppe mit VW Polo und Skoda Fabia teilt, erinnert auch im Innenraum nichts an die konservativen Konzerngenossen. Das gesamte Interieur wirkt auf den ersten Blick wie von einem Amok laufenden Zirkel entworfen - entpuppt sich im Alltagsbetrieb aber durchaus als wohnlich und ergonomisch sinnvoll eingerichtet.

Schlampige Verarbeitung

Wenig Grund zur Klage boten auch die verwendeten Materialien. Sämtliche Oberflächen, Knöpfe und Schalter entstammen dem gut sortierten VW-Regal und sind dementsprechend solide. Vielleicht hätte man jedoch nicht nur die Materialien dem Konzernstandard anpassen sollen. Die Verarbeitung lässt nach wie vor zu Wünschen übrig. Ganz gleich, ob Kopfsteinpflaster-Rüttelstrecke oder Autobahn mit langen Fahrbahnwellen - unser Test-Ibiza leistete zu jedem Fahrbahnbelag einen leise klappernden Beitrag. Vor allem das Armaturenbrett zeichnete sich durch ständiges Geknister aus. Alles in allem keine große Sache - was fehlt, ist lediglich der scheinbar unerschütterliche Qualitätseindruck eines VW Polo.

Schütteln gehört zum Geschäft

Ibiza-Fahrer werden es verschmerzen können. Die echten Vorzüge des kleinen Spaniers liegen gut verpackt vor den Füßen des Fahrers. Kurzes Vorglühen und ein kräftiger Dreh am Zündschlüssel - schon erwacht das selbstzündende Herz des Ibiza zum Leben. Dass der 130 PS-Turbodiesel mit Pumpe-Düse-Direkteinspritzung dabei das gesamte Fahrzeug hin- und herschüttelt, passt irgendwie ins Ibiza-Gesamtbild. Die TDIs aus der VW-Schmiede hatten noch nie den Ruf, auf leisen Sohlen zu nageln. Dieser kleine Krawallo macht jedoch gar nicht erst den Versuch, sich leise brummelnd im Motorraum zu verstecken.

Passagier im eigenen Auto

Warum auch - schließlich ist der leichte Ibiza (1.192 Kilo) keine echte Herausforderung für den rauen Diesel. Normalerweise muss sich der TDI mit solchen Pummelchen wie dem Audi A4 oder dem VW Golf abmühen. Schonzeit haben Fahrer und Reifen lediglich im Drehzahlbereich unter 1.900 Umdrehungen pro Minute. Nähert sich die Nadel des Drehzahlmessers jedoch der 2000er-Marke, läuft man schnell Gefahr, Passagier im eigenen Auto zu werden.

Kraftausbrüche

Mit 310 Newtonmetern im Nacken stürmt der Ibiza nach vorne - ein Moment, in dem der Erfinder der Kopfstützen zum echten Helden wird. Nach dem ersten Schreck fängt man jedoch relativ schnell an, sich mit dem wilden Ballermann anzufreunden. Auch, weil sich die ungezogenen Kraftausbrüche des Ibiza mit Hilfe der bestens funktionierenden Sechsgang-Schaltung recht gut kontrollieren lassen. Ein Gefühl, das Kunden des Ur-GTIs sicherlich nachvollziehen können. Es ist immer wieder eine Freude, den vermeintlich »Großen« auf der Straße frech die Heckklappe zu zeigen. Lediglich die Bremsen unseres Test-Ibizas konnten nicht völlig überzeugen. Vor allem in hohen Geschwindigkeitsbereichen bedurfte es eines kräftigen Fußtrittes, um den Ibiza standesgemäß zu bändigen.

Hart

Dennoch taugt der kleine Spanier nur bedingt als Reisewagen. Zwar kann er auf der linken Spur locker mithalten - so richtig entspannend ist das aber alles nicht. Kurze Fahrbahnwellen oder Schlaglöcher quittiert das Sportfahrwerk des Ibiza nur auf eine einzige Art und Weise: gar nicht. Fiese Schläge auf Gesäß und Bandscheiben sind die Folge - da helfen dann auch die ansonsten tadellosen Sitze kein Stück weiter. Hinzu kommt noch die relativ leichtgängige Lenkung, die vor allem auf der Autobahn den Kontakt zur Fahrbahn vermissen lässt. Ein Zugeständnis in Sachen Komfort, für das man spätestens beim ersten Ausflug auf die Landstraße entschädigt wird. Kurven liegen dem Ballermann mit seinem knochenharten Fahrwerk wesentlich besser...

Ganz entspannt kann man die meisten Tankstellen links liegen lassen. Selbst haarsträubende Vollgas-Orgien verdaute unser Test-Ibiza mit einem maximalen Testverbrauch von 6,9 Litern auf 100 Kilometer.

Fazit:

Dem Ibiza mit Monster-Diesel ist mit Vernunft nicht beizukommen. Er ist laut, hart, mäßig verarbeitet und hoffnungslos übermotorisiert. Na und? Dafür ist er meiner Meinung nach der erste und einzige legitime GTI-Nachfolger aus dem VW-Konzern. Und mit 17.440 Euro noch ein gutes Angebot dazu.

Jochen Knecht