1700-Euro-Auto Ein Automobil im Geiste Ghandis

Von Bernhard Schmidt, Neu Delhi
Gedränge wie vor Paris Hiltons Badewanne und Jubelrufe, als wäre der Messias erschienen: Als Ratan N. Tata den Nano enthüllte, brach eine neue Ära im Automobilbau an. Dabei baut der Inder nicht nur das billige Mini-Vehikel, er greift auch nach den Nobelmarken Land-Rover und Jaguar.

Nano heißt das zwergenhafte Auto für die indischen Massen, das der Mischkonzern Tata für 100000 Rupien, umgerechnet rund 1700 Euro verkaufen will. Bei der Präsentation auf der Delhi Auto-Expo sagte Konzern-Chef Ratan N. Tata: "Nano weist auf etwas sehr Kleines hin und gleichzeitig auf Hochtechnologie." hightech findet man in dem winzigen Wagen, der wie eine gestretchter Smart aussieht und mit italienischer Hilfe selbstbewusst, frech und modern gestaltet wurde, allerdings nicht. Um ein Auto für den Preis des optionalen DVD-Players eines Jaguar herzustellen, musste bis zur Schmerzgrenze abgespeckt werden. So hat die Basisversion für 1700 Euro weder Kilometerzähler noch Heizung.

Hinten befinden sich, um den indischen Vorschriften gerade noch so Genüge zu tun, nur Beckengurte, und die Radlager sollen die Höchstgeschwindigkeit von gut 100 km/h nicht lange durchhalten können. Billig herzustellen ist auch der Zweizylinder-Heckmotor mit 33 PS und Bosch-Einspritzanlage, der die indischen Abgaswerte ohne Katalysator einhält. Erstaunlicherweise hat der Wagen sogar vier Türen. "Ein Zweitürer ist in Indien unverkäuflich", sagt Volkswagens Indien-Chef Jörg Müller.

Zeichen für einen globalen Umschwung

Der internationale Medienrummel war wie bei einem G-8-Gipfel. Rund 1000 Journalisten lieferten sich eine teilweise rüde Schlacht um die beste Position, und die Ausgabe der Presseunterlagen erinnerte an die Verteilung von Uno-Hilfslieferungen in Hungerregionen. Es waren nicht genügend Pressemappen da. Dabei ging es bloß um diesen Kleinwagen, der ab Ende 2008 nur für den indischen Markt und ein paar andere Schwellenländer bestimmt ist. Über einen Export in westliche Länder werde aber nachgedacht, sagte Tata, "dafür brauchen wir aber eine für die dortigen Markgegebenheiten angepasste Version." Der 70-Jährige wurde von den indischen Journalisten wie ein Messias gefeiert und bekam Standing Ovations.

Wie in den Fünfzigern

Der Nano ist im Geiste mit den Ikonen der deutschen Nachkriegszeit verwandt: BMW Isetta, Messerschmitt Kabinenroller, Kleinschnitger, lauter verschrobene Elementarteilchen des Verkehrs, die eines verband: billig zu sein. An Luxus-Einbauten wie Scheibenbremsen, ABS und Airbags wurde damals wie auch heute beim Nano verzichtet.

Indien ist noch hauptsächlich auf dem Moped, Fahrrad oder im überfüllten Bus oder der Bahn unterwegs. Das regendichte Dach ist hier für viele ein Segen. Tata sagte, er hatte die Vision, als er eine indische Familie mit Vater, Mutter, ein Kind auf dem Tank und ein Baby im Arm der Mutter, auf einem Motorrad sah. "Für diese Leute ist der Nano gedacht." Der 3,1 Meter Winzling mit dem Engineering im Sinne Mahatma Gandhis ist trotz aller Einschränkungen hundertfach besser als die einstigen Wirtschaftswunderuntersätze der Deutschen, selbst eine Knautschzone soll er haben, und der Verbrauch wird mit rund fünf Liter auf 100 km angegeben. Darauf, dass Tata gerade dabei ist, die britischen Edelmarken Land-Rover und Jaguar zu kaufen, ging der Firmenpatriarch nicht ein.