Hölle, Dämonen, Lungenkrebs - das Leben von John Constantine ist frei von jeglichem Schönen. Seine angeborene Gabe, überirdische Wesen sehen zu können, empfand er von jeher als Fluch. Als 15-Jähriger zog er die Konsequenz und tötete sich selbst. In der kurzen Zeit, die verging, bis er wiederbelebt wurde, machte er einen Kurztrip in die Hölle. Und brachte die Erkenntnis mit zurück ins Leben: Dort will ich nicht hin, wenn ich wirklich sterbe.
Seitdem zieht Constantine umher, stellt seine seherische Gabe und magischen Kräfte in den Dienst der guten Sache und schickt ausgerissene Dämonen und anderes Höllengezücht zurück in die Dauersauna. Erfüllung findet er dabei nicht, er ist ein kettenrauchendes, todkrankes zynisches Vollwrack, das dennoch nicht anders kann. Denn das Stigma des Selbstmörders muss irgendwie weggearbeitet werden, um nicht wieder ins Fegefeuer zu fahren.
Ein strahlender Held ist er also nicht, dieser John Constantine, der in der Erwachsenen-Comicreihe "Hellblazer" seit 20 Jahren Dämonen verkloppt. Im vergangenen Monat kam ein "Constantine"-Film mit Keanu Reeves in die Kinos und parallel dazu ein Videospiel, das sich direkt am Mystery-Thriller auf Zelluloid orientierte. Während bei bekannten Geisterjägern wie "Ghostbusters" oder "Men in Black" gelacht und gekalauert wird, bekommt Constantine einen erbarmungswürdigen Hustenanfall. Möchte man mit so jemandem spielen?
Durchaus, wenn man's düster und tragisch mag. Wie gut gebrochene Helden funktionieren können, hatten die "Max Payne"-Spiele gezeigt - und nicht zufällig erinnert vieles bei "Constantine" an dieses große Vorbild: Der Spieler blickt standardmäßig von hinten auf Constantine, kann die Kamera aber frei bewegen und nach Bedarf einstellen. Außerdem kann der Kampfraucher für einen kurzen Moment die Zeit verlangsamen, um sich Vorteile im Kampf zu verschaffen. Max Paynes Bullet-Time-Effekt lässt grüßen.
Die zweite große Inspirationsquelle für die Spieldesigner waren offensichtlich die Horror-Actionadventures der "Resident Evil"-Reihe. Neben dem Vermöbeln vieler verschiedener Dämonen und einiger Bossgegner gilt es, bestimmte Gegenstände zu finden und einfache Rätsel der Kategorie "Wie kann ich den Generator abschalten, um an diesem Stromkabel vorbeizukommen" zu lösen. Um sich zu wehren, findet Constantine allerhand skurrile Waffen und hilfreiche Zaubersprüche. Wenn es zu dunkel zum Gucken ist - und das ist es häufig -, kann man auf den Seher-Modus umschalten, der in psychedelischen Farben die Räume und vor allem magische Gegenstände und unmenschliche Gegner vor Augen führt.
Große Vorbilder also - die leider unerreicht bleiben. In keiner Hinsicht kann "Constantine" mithalten. Zu simpel die Aufgaben, zu linear der Ablauf und vor allem: zu durchschnittlich die Grafik. Obwohl der spektakuläre Look des Films eigentlich detailliert kopiert wurde, ist er technisch schwach umgesetzt. Alles wirkt verwaschen, farbarm und unscharf. Das geht so weit, dass man nur erahnen kann, dass für die Spielfigur "Constantine"-Darsteller Reeves eingescannt wurde. Und dann noch die missglückte Synchronisationsstimme... ein krebskranker Dämonenjäger spricht nicht wie ein Grundschullehrer im Handwerksunterricht.
"Constantine"
Hersteller/Vertrieb | SCi/Ubisoft |
Genre | Action |
Plattform | PC, Xbox, Playstation 2 |
Preis | 45 Euro (PC), 55 Euro (Konsolen) |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Doch trotz seiner technischen Mittelmäßigkeit, der wenigen neuen Ideen und einer relativ kurzen Spielzeit macht "Constantine" durchaus Spaß, ist spannend und häufig herrlich gruselig. Die Düsternis und der Zynismus der literarischen und filmischen Vorlagen kommen gut rüber. Die Geschichte um den "Speer des Schicksals", der in die falschen - sprich: höllischen - Hände geraten ist, wird spannend und mit gut gemachten Zwischensequenzen erzählt.
Und eine wirklich gute Idee hatten die Designer von SCi Games dann doch: Um bestimmte Aufgaben zu lösen oder Räume zu erreichen, muss man per Magie in die Hölle wechseln und dort am selben Ort weiterspielen. Nach dem Motto: "Vielleicht hat der Teufel vergessen, diese Tür zu schließen." Die Sequenzen im hitzewabernden, rotglühenden Fegefeuer (und die dort lauernden Gegner) sind mit Abstand das Gelungenste des ganzen Spiels. In "Constantine" ist es in der Hölle am schönsten. Wenn das Constantine wüsste.