Scheibes Kolumne Absolut nicht trendy

Täglich surft Stern.de-Kolumnist Scheibe durch das Internet. Er ist sich sicher: Es gibt keinen neuen Trend, den er nicht schon längst im Internet entdeckt hat. Ein Treffen mit den Mädels seiner Schülerzeitungs-AG zeigt allerdings: Er hat nicht den Hauch einer Ahnung.

Klarer Fall, ich weiß Bescheid. Ich lese täglich im Internet, was gerade angesagt ist. Vor allem bei den Kindern. Das muss man ja wissen, damit man mitreden kann, wenn man sie in die Schule schickt, in diesen Sündenpfuhl der Eitelkeiten, der auf dem Schulhof entsteht, sobald es zur Pause klingelt. Scoubidou-Bänder sind angesagt. Und Diddl-Blätter zum Sammeln sowieso. Woher ich das weiß? Na, ich bin ja nicht blöd. Bei Ebay gibt es Millionen Auktionen zu diesen Themen. Da sind dann auch noch Beyblade-Kampfkreisel und überhaupt jede Menge Zeug zum Kinohit "Die Unglaublichen".

Meine Mädchen aus der dritten bis sechsten Klasse, die an meiner Schülerzeitungs-AG in Falkensee teilnehmen, schauen mich an, als wäre ich völlig bescheuert. Theresa fasst sich an den Kopf: "Scoubidou ist out, das macht hier doch echt niemand mehr." Und auch Elisa weiß Bescheid: "Diddl fasst keiner mehr an. Das ist mega-out." Ich überlege, ob vielleicht deswegen so viele Auktionen bei Ebay laufen: Weil die ganzen Mädchen ihre stolze Sammlung verscherbeln möchten, bevor sie sie überhaupt gar nicht mehr losbekommen.

Ja, was denn nun?

Ich bin stark verunsichert und bitte die Girls, doch einfach einmal aufzuschreiben, was zurzeit in der Schule in ist und was nicht. Gerade will ich aussprechen, wie cool doch die Beyblades sind, da setzt Alicia an: "Selbst die Jungs spielen nicht mehr mit den blöden Kreiseln. Also Beyblades sind wirklich out." Mit spitzer Zunge zwischen den Zähnen schreibt Alicia den Namen Beyblade auf ihren Zettel. Ich beschließe derweil, zu Hause gleich die Ebay-Auktionen aus meinem Sniper zu entfernen, in denen es um neue Kampfkreisel geht. Ich kann meinen Jungen doch nicht mit Spielzeug in die Schule schicken, das bei den Älteren nur noch Würgereize hervorruft.

Nie gehört...

Alle fünf Mädchen sind sich aber einig, was gerade in ist: Kuschelschals. Fast jedes Girl hat inzwischen einen solchen selbst gestrickten Fusselschal um den Hals gewickelt. Carina weiß: "Selbst Frau Schlawitz trägt inzwischen einen". Und die ist Lehrerin. Ich staune, von Kuschelschals habe ich nämlich noch nichts gehört. Theresa berichtet sogar von einer verzweifelten Mutter, die nur Söhne hat, die Kuschelschals aus männlicher Überzeugung heraus ablehnen. Und die deswegen schon die Freundinnen der Söhne fragt, ob sie nicht vielleicht einen Schal gestrickt haben möchten. Das Thema ist echt an mir vorbeigegangen. Ich beschließe, zu Hause einmal bei Ebay nachzuschauen, ob sich unter "Kuschelschals" schon etwas finden lässt. Vielleicht ist es ja ein landesweiter Trend.

Dass String-Tangas gerade in sind, wie Elisa schockrot gesteht, ahnte ich bereits. Ich wusste nur nicht, dass dies bereits in der Grundschule der Fall ist. Die kurzen Stofffetzen, die oben aus der Jeans herausschauen, habe ich eigentlich erst bei Neuntklässlerinnen gesehen. Carina: "Bei uns tragen das bereits ganz viele Mädchen". Ihr weit geöffneter Blick sagt alles: Aber ich natürlich nicht.

Die ultimative In- und Outliste

Ich kann auch sonst noch etwas lernen. Jungs sind out, aber Küssen ist in. Ketten sind out, dafür klimpern die Mädels gerne mit Ohrsteckern. Nagellack ist out, dafür sind Hosen mit Schlag und Stockings ganz wichtig. Lange Mäntel kommen cool. Und wer der Loser der Klasse sein möchte, muss sich nur mit aufklappbaren Federtaschen oder mit klassischen Tornister-Schulmappen sehen lassen. Absolut angesagt sind stattdessen Rucksäcke, in denen die Schulhefte schön zusammengestaucht werden.

Als ich nach der Stunde nach Hause gehe, habe ich eine authentische In- und Out-Liste in der Tasche, die besagt, dass Kippeln, Herausforderungen im Unterricht und Lehrersteiche cool sind, und die aufzeigt, dass Latzhosen, knallige Farben, Pudelmützen und Wurstbrote absolute No-Nos sind.

Zu Hause angekommen gehe ich gleich bei Ebay schmulen. Und tatsächlich: Die Kuschelschals sind auch hier im Kommen. 1,30 Meter müssen sie lang sein, dazu zehn Zentimeter breit. Lana Grossa oder Brazilia-Wolle sind Pflicht - und handgefertigt müssen die Teile sein. Für gut zehn Euro gehen die dann über den Tisch. Tausende Hausfrauen werden jetzt wieder zur Stricknadel greifen. Mal sehen, wann die Stern.de-Redakteure die ersten Selbstgestrickten um den Hals tragen. (Anm. d. Red.: Wenn die Hölle zufriert.) Ich bin jedenfalls wieder up to date und weiß endlich wieder, was hip ist. Schade, dass mir das nicht das Internet verraten hat.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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