Scheibes Kolumne Der besessene Rechner

stern.de-Mitarbeiter Scheibe kippt Weihwasser über den Bildschirm und hängt Knoblauch ans CD-ROM-Laufwerk. Er ist sich ganz sicher: Sein Rechner ist vom Bösen besessen. Tatsächlich hat er ein Gespräch der destruktiven Geister belauschen können.

"Achtunf, er fommt". Der kleine PC-Dämon lässt mit seinen Zähnen ab vom grünen Kabel, an dem er gerade emsig genagt hat. Das grüne Lämpchen am CD-ROM-Laufwerk beginnt zu flackern und erlischt dann ganz. Tatsächlich kommt der Besitzer des Computers - ich! - näher, um sich ächzend in den schwarzen Chefsessel fallen zu lassen.

"Er drückt die Taste, er drückt die Taste". Dutzende kleiner Irrwische springen munter auf der Festplatte umher, die nach dem Einschalten des Computers nun langsam zum Leben erwacht und mit dem infernalischen Surren einer Kreissäge damit beginnt, die Magnetscheiben in Rotation zu versetzen.

Kommen'se rein, können'se rausgucken

Ein kräftiger Dämon mit roter Haut leckt sich über den dicken Daumen, um ihn dann direkt auf der Außenkante der sich drehenden Festplattendatenscheibe anzusetzen. Funken sprühen, Rauch steigt auf - und die Magnetscheibe bremst spürbar ab. Mit tiefem Grollen in der Stimme herrscht der Unhold seine Mitstörenfriede an: "Los, macht schon, verzögert den Start." Und schon strömen die garstigen Kollegen aus. Einer schaufelt neue Autostartbefehle in eine Datei, um so das Hochfahren des Rechners nach Kräften in die Länge zu ziehen. Ein anderer vertauscht Buchstaben in einer Startdatei und sorgt so für den ersten gravierenden Software-Fehler. Einer kichert gehässig: "Ich guck gerade durch das Diskettenlaufwerk nach draußen. Er verdreht die Augen und ist genervt. Jetzt popelt er erst einmal."

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In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.

Der Rechnerstart dauert ewig. Als das System dann endlich steht, sind andere Geister an der Reihe. Ein Spion warnt: "Er startet das E-Mail-Programm. Wir haben aber nix vorbereitet. Da warten nur drei echte Mails auf Abruf. Was sollen wir tun?" Der Oberdämon bremst mit dem Daumen noch immer die Festplatte ab. Er kratzt sich mit der anderen Hand am spitzen Horn, das aus seiner Stirn wächst. Er weiß etwas: "Kippt einfach 275 Spam-Mails in das Postfach. Am besten solche mit Viagra-Werbung. Und ganz viele mit der Meldung, dass sein Ding zu kurz ist und er ein Verfahren zur Verlängerung kaufen soll. Dann ärgert er sich immer so."

In der Tat können die Finsterlinge kichernd dabei zusehen, wie quälend lange es dauert, die vielen Werbe-Mails zu empfangen, zu sichten und dann zu löschen. "Okay, Stufe 3", rufen die Dämonen. "Lasst ihn erst mal arbeiten."

"Wartet... wartet... wartet... JETZT!"

In aller Ruhe und mucksmäuschenstill sehen sie dabei zu, wie der PC-Benutzer - immer noch ich! - in die Tasten haut, um einen Artikel zu schreiben. Immer wieder drückt er dabei STRG+S, um Änderungen zu speichern. Ein Gnom steht mit einer Stoppuhr an der Aussichtsluke und schaut dem Anwender auf die Finger. "Wartet... wartet... wartet... JETZT!" In diesem Moment, als das letzte Speichern schon wieder viel zu lange her ist, graben alle Minimonster gleichzeitig ihre Zähne in die Kabel des Rechners. Absturz. Und alle Daten sind futsch!

In diesem Moment beschließe ich, das Arbeiten lieber sein zu lassen und golfen zu gehen. Als ich mich umdrehe, glaube ich doch glatt, ein lautes Lachen aus dem Inneren des PC-Gehäuses zu hören.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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