Kein Tag vergeht, an dem die Presse nicht vor neuen Computerviren warnt. Mit horrenden Folgen für die Volkswirtschaft: Viele Sekretärinnen weigern sich, an viren-aktiven Tagen den Rechner einzuschalten. Und die Systemtechniker verlieren viel zu viel Zeit damit, auf allen PCs der Firma einen Scan nach dem anderen durchzuführen. Mein Tipp: Einfach keinen Virus kriegen! Und wenn schon: So schlimm wie ein echter Bug kann das doch auch nicht sein.
Sie haben Angst vor Computerviren? Versteh ich nicht. Das sind doch nur harmlose elektronische Impulse, die sich mit einem aktuellen Virenscanner, ein wenig Umsicht und mit einem Backup jederzeit wieder in die Flucht schlagen lassen. Das ist doch nichts gegen das Grauen, das echte Bugs verbreiten können.
»Du bist doch Biologe...«
Letztens hatte ich einen Freund zu Gast, der sich beschwerte, nach einem Besuch in meinem Garten eine Zecke an seinem Bauch vorzufinden. Das war eine ganz kleine Zecke, die sich bereits so fest in die Haut eingebohrt hatte, dass nur noch die bluttrunken abgewinkelten Hinterbeinchen aus dem geschwollenen Bauch hervorguckten. Ich drehte mich weg und schüttelte mich. Doch es gab kein Pardon. »Du bist doch Biologe«, hieß es, »Du drehst mir das Ding jetzt raus.« Ich versuchte, das Argument anzubringen, dass ich an der Uni nur Bakterien zerkocht, aber keine Ausbildung im Zeckenentfernen genossen hatte. »Nix da. Biologe ist Biologe.« In der Folge machte ich alles falsch. Ich ersäufte das Viech in Butter, wie ich es früher bei den Pfadfindern gelernt hatte. Dann zog ich mit einer stumpfen Pinzette so lange an dem platten Viech, bis ich endlich alle Beine ausgerissen hatte. Eine verkrampfte Hand in meiner Schulter sorgte dafür, dass ich nicht aufgab. Dann ein Ruck - und ich hatte die Zecke draußen. Nur der Kopf war leider noch drinnen. Nach zwei Stunden war mein Besuch dann auch schon wieder von der Notaufnahme des Krankenhaus zurück. Der Kopf musste mit dem Skalpell rausgeschnitten werden. Igitt. Da hilft kein Virenscanner.
Oder meine Mülltonne. Die steht draußen vor dem blau angestrichenen Gartenzaun. Mitten in der Sonne. So kann man sie schnell nach draußen schieben, wenn alle zwei Wochen die Müllmänner kommen. Leider kommen nicht nur die Müllmänner, sondern auch die Fliegen. Sie legen dicke Pakete winziger Eier direkt unter den Rand der Tonne. So dass man gleich hereinfasst, wenn man den Deckel ungeschickt öffnet. Was relativ oft vorkommt, wenn mit einer Hand noch ein schwerer Müllsack nachgeschleift wird. Dann irgendwann sind die Eier plötzlich alle verschwunden. So eine Woche später folgt das große Wunder der Natur: Wird die Tonne geöffnet, sind die Wände der Tonne auf einmal vollständig mit zentimeterlangen weißen Fleischmaden bedeckt, die sich hektisch fallen lassen, sobald das Licht sie erreicht. Das Toc-Toc-Toc der auf dem Müll aufschlagenden Minikörper spielt eine ganz eigene Melodie auf meinen Nerven. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Maden im Müll gut sein sollen, da sie den Geruch beseitigen. Ich überlege trotzdem immer, ein paar Frösche aus dem Gartenteich in der Tonne zu versenken, damit sie hier ihren Job erledigen. Igitt. Da hilft kein Virenscanner.
Spinnen und Frau Junge
Unsere Frau Junge hat auch so ihre Probleme. Vor allem im Herbst und im Winter haben sich immer alle handtellergroßen Hausspinnen verschworen, sie zu ärgern. Wenn sie morgens als erste die Kellertür zum Büro aufschließt, erblickt sie im Türrahmen gar Fürchterliches. Hierhin haben sich die fröstelnden Spinnen aus dem Holzschuppen zurückgezogen, um ein wenig Wärme aus dem Haus zu tanken. In Augenhöhe hängen die fetten Viecher mit ihren haarigen Beinen dann zum Sprung bereit im Rahmen und taxieren ihr Gegenüber mit allen acht Augen. Ein Schrei lockt mich dann vom Frühstückstisch in den Keller. Ein beherzter Grif, und der Arachnide landet in der Büchse. Die Kinder freuen sich über das zappelnde Anschauungsmaterial. Danach wird die Spinne wieder im Schuppen freigelassen. Morgen früh ist sie wieder da, um Frau Junge zu erschrecken. Igitt. Auch hier hilft kein Virenscanner.
Und die Moral von der Geschicht? Jammere über Computerviren nicht. Es gibt Schlimmeres.
Carsten Scheibe
PS: Der Autor dieser Zeilen sitzt seit zehn Jahren zehn Stunden am Tag vor dem Rechner. Dabei bezieht er exzessiv Downloads aus dem Internet. In all dieser Zeit machten sich exakt nur vier Viren auf dem Rechner breit, die von einem Scanner schnell erkannt und entfernt wurden. Ein Datenschaden entstand dabei noch nie.