Die schöne digitale Welt sollte eigentlich den Büro-Schreibtisch deutlich entlasten. Weg mit dem ganzen Papier, her mit elektronisch gespeicherten E-Mails. Ich weiß noch, wie entsetzt ich war, als ich feststellen musste, dass eine Mitarbeiterin alle ihre Mails zu Papier brachte, um sie dann offline zu lesen und anschließend in den Papierkorb zu werfen. Zugegeben, das ist bereits ein paar Jahre her, aber ein Blick auf meinen aktuellen Schreibtisch zeigt mir, dass es mit dem papierlosen Büro auch im neuen Jahrtausend noch nicht besonders weit her ist.
Ich bin Computerfreak. Ich kriege mehrere Dutzend E-Mails am Tag, die alle schön brav im Rechner bleiben. Ich drucke keine Web-Seiten aus und mache auch keine Probeausdrucke. Ich verbrauche also selbst kein Papier mehr, wenn es nicht unbedingt sein muss. Trotzdem ist mein Schreibtisch immer voll - so voll, dass ich nur selten feststelle, dass er eigentlich aus hellem Holz gefertigt ist. Dabei habe ich inzwischen auch meinen geliebten Schmierzetteln abgeschworen und verwalte längst auch meine Termine und Adressen im Rechner.
Anfangen zu graben
Woran liegt es also, dass ich trotzdem im Papier ertrinke? Ich schau mich um. In einer Ecke stapeln sich Visitenkarten neuer Geschäftspartner, in einer anderen gibt's jede Menge Faxe. Hinzu kommen Produktionspläne, Telefonnotizen, Magazine, ausgerissene Seiten aus Tageszeitungen, Anzeigenaufträge und - irks - frische Rechnungen. Zwischen all dem Papier, das wegzuräumen ich noch keine Zeit gefunden habe, finde ich auch noch ein halbes Dutzend USB-Sticks, Allergietropfen, eine halbvolle Energy-Drink-Flasche, einen Tesa-Roller, eine Nagelschere, drei Telefone, diverse neue Video-DVDs, Bleistifte und Filzer sowie eine Flasche Glasreiniger für meine Brille. Durch all die Stapel mit Zeugs schlängeln sich auch noch die staubigen USB-Kabel der externen Festplatten, Scanner und Drucker - was für eine Unordnung.
Mehr von Carsten Scheibe
In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.
Natürlich kann ich das aufräumen, um wieder einen leeren Schreibtisch zu erhalten. Aber vor dem gleichen Problem stand ich bereits 2005, als ich meine Seite "Dreckiger Schreibtisch" ins Leben rief, die dringend ein Update vertragen könnte. Aber da ich bereit seit vielen Jahren vergeblich versuche, immer wieder aufs Neue ein System zu finden, das funktioniert und meinen Schreibtisch leer hält, gebe ich das Prinzip "Hoffnung auf Ordnung" langsam auf.
Stattdessen beginne ich immer mehr damit, mit meiner Unordnung zu leben. Wichtige Dokumente finden sich schließlich jederzeit in der Ablage wieder, die beständig in den Himmel wächst und bereits Jahresringe ansetzt. An der Vergilbung des Papiers lässt sich doch schon von außen bestens feststellen, von welchem Datum ein Brief ist. Ein wichtiger USB-Stick fehlt? Die liegen doch immer im Kuddelmuddel-Dreieck zwischen externer Festplatte, Tesa-Roller und Tastatur. Die wichtige neue Visitenkarte? Klar, damit die nicht verloren geht, habe ich das Colaglas raufgestellt. Langsam kommt System in die Sache. Fensterreiniger und Energydrink-Flasche stelle ich HINTER den Monitor. Leicht erreichbar, aber aus dem Weg. Und mehr Platz auf dem Schreibtisch bleibt da auch. Leider fällt der Stapel mit den DVDs um, zwischen denen wie Flügel die aktuellen Faxe stecken.
Eine Patentlösung habe ich auch, wenn der Schreibtisch zu voll wird. Dann greife ich alle Stapel und stelle sie einfach hinter mir auf den Fußboden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Außerdem ist die Schreibtischplatte dann wieder leer und ich kann frische Häufchen bilden.
So geht's doch: Wenn man seine Unzulänglichkeiten nicht bekämpfen kann, dann muss man eben mit ihnen leben.