Wir treffen uns dieses Mal in der neu aufgemachten "Knödelstube" in Falkensee. Das Restaurant bietet schlesisch-böhmische Kost zu moderaten Preisen. Bei einem Dunkelbier aus dem ehemaligen Ostblock konsultieren Cookie, Robert und Jörgi die umfangreiche Speisekarte. Ich habe mich bereits für eine dicke, fette Kohlroulade entschieden. Meine verstorbene Oma hat sie früher immer gemacht. Und da sie auch aus der schlesischen Ecke stammte, schließt sich hier der Kreis wieder.
"Wisst Ihr noch..?"
Jörgi bestellt sich als Vorspeise ein Knoblauchbrot - er weiß nicht, dass die hier in der "Knödelstube" gerne eine ganze Knolle aufs Brot reiben. Da wird er zu Hause wohl im Gästezimmer schlafen müssen. Seine Frau versteht da absolut keinen Spaß, wenn er aus allen Poren stinkt. Jörgi schlürft an seinem Bier und eröffnet die Runde: "Wisst ihr noch, wie wir damals angefangen haben, zum allerersten Mal den Computer zu erkunden?"
Wir nicken alle, der Blick verliert sich in vergangene Zeiten. Ich muss an mein allererstes Graustufen-Notebook denken, das damals noch mit einem XT-Prozessor ausgestattet und schwer wie ein halber Reisekoffer war.
Jörgi fährt fort: "Damals haben wir absolut nix kapiert. Das war echt frustrierend, wenn man wieder einmal aus Versehen beim Aufräumen der Verzeichnisse die Festplatte formatiert oder seine persönlichen Daten gelöscht hat. Nur haben wir uns das eigene Trauma damals nicht lange bieten lassen. Wir haben Magazine wie "Computer Live" und "DOS International" gelesen, die kundigen Kumpels immer wieder mit neuen Anrufen belästigt und darüber hinaus so lange gefrickelt und gefummelt, bis wir es endlich gerafft haben, das mit den Bits und Bytes. Beim Karate bekommt man den Schwarzen Gürtel ja auch nicht geschenkt, den muss man sich verdienen. So ist es am Computer auch. Wir sind alle durch das Tal der Tränen gegangen. Aber jetzt wissen wir wenigstens, wo der Prozessor seine Einsen einsammelt."
"Schluss jetzt..!"
Jörgi wollte noch weitersabbeln, aber Robert stopfte ihm seine Knoblauchstulle tief in die Kauleiste und unterbrach so den Wortfluss: "Weiß ich doch. Kenn ich doch. Hast du uns extra hier zusammengetrommelt, um deine ersten Computererfahrungen zum tausendsten Mal zu wiederholen?"
Jörgi kaute verbissen: "Fie find fo fumm!"
Drei fragende Gesichter schauten den Mann mit der Knoblauchstulle zwischen der Nasenspitze und dem Kinnbart an. Der kaute schnell zu Ende. Und begann noch einmal von vorne: "Die sind alle so dumm heute."
Wir schauten noch immer fragend.
Jörgi spülte die letzten Reste des Brotes mit seinem Bier herunter und rülpste so laut, dass das Blumengedeck auf dem Tisch sofort die Köpfe hängen ließ. Den Knoblauch hätte man aus der Luft heraus löffeln können.
"Heutzutage haben immer mehr Leute einen Computer. Nur nutzen sie ihn gar nicht mehr richtig. Sie schreiben Briefe. Oder sie raubkopieren CDs. Oder sie surfen im Internet. Diese eine Tätigkeit beherrschen sie auf einem absolut dilettantischen Level. Aber wehe, sie stoßen auf ein Problem. Dann ist sofort das Ende der Welt nahe."
Dummer User 1
Robert nickt: "Ich weiß genau, was du meinst. Ich hatte da letztens einen wirklich beispielhaften Fall. Da zieht eine Familie in ein neues Haus. Der Sohn der Familie gilt in seiner Sippe als ausgewiesener Kenner. Er baut alle Rechner neu auf, verkabelt sie und beschwert sich anschließend lautstark, dass die nagelneuen ISDN-Leitungen nicht auch nur ansatzweise funktionieren. Zweimal rückt deswegen ein Techniker der Telekom an. Zweimal erklärt der Techniker nach einer umfangreichen Prüfung, dass die Leitungen in Ordnung sind. Nachdem der Sohn eine ganze Nacht vor dem Rechner zugebracht hat, habe ich mich in die Sache eingeklinkt. Ihr ratet nie, was die Ursache für das Problem war."
Cookie hob die Achseln: "Kabel nicht in die ISDN-Buchse gesteckt?"
"Gut gedacht", sagte Robert, der weiß, dass sich 50 Prozent aller User-Probleme mit dem Kabel-Tipp bewältigen lassen. "Aber es war etwas anderes: Der junge Mann hatte überhaupt gar keinen Internet-Account. Dem fehlte ganz einfach der Provider und damit auch die Zugangstelefonnummer ins Internet. Vor dem Umzug hatte der wohl immer einen vorkonfigurierten T-Online-Account. Da reichte immer ein Mausklick aus, um online zu gehen. Vor dem Umzug wurde der Account abgemeldet, aber kein neuer beantragt."
Cookie war neugierig: "Und? Was nun?"
Robert winkte ab: "Die sollen so was wie Sense Connect nehmen. Das Programm sucht immer den günstigsten Call-by-Internet-Provider aus und stellt dann per Mausklick die Internet-Verbindung her."
Dummer User 2
Auch Jörgi hatte eine Geschichte: "Ich arbeite ja in der Werkstatt von einem großen Forschungsinstitut. Da sollte man meinen, dass die Herren Wissenschaftler auch etwas in der Birne haben. Letztens kam aber einer an, der gab mir eine ganze Liste mit Programmen, die ich ihm besorgen sollte. Er hatte die pfiffige Idee, seinen Rechner endlich virensicher zu machen. Auf der Liste standen u.a. ein Anonymizer, ein Keylogger und ein Spyware-Tool drauf. Aber kein Virenscanner."
Die Geschichte versprach, spannend zu werden. Wir mussten sie nur rasch unterbrechen, weil unser Essen kam. Ich bekam meine Kohlroulade, Jörgi ein Gulasch und Cookie einen Sauerbraten. Robert ließ sich einen großen Pfannkuchen kommen.
Jörgi fuhr fort: "Ich sagte dem Mann, dass diese Tools zwar alle etwas mit dem Thema Sicherheit zu tun haben, aber absolut nichts mit der Abwehr der Viren. Nein, nein, meinte da der Professor, den Anonymizer brauche er unbedingt, damit ihn der Virus gar nicht erst finden kann."
Kichernd lagen wir unter dem Tisch. Ein Anonymizer sorgt nur dafür, dass man im Internet nicht mehr "erkannt" wird, weil man mit einer frei erfundenen IP-Adresse unterwegs ist.
"Und den Keylogger brauchte er, damit die Viren nicht mehr seine Passwörter auskungeln können. Ich hab ihm besser nicht gesagt, dass der Keylogger ganz im Gegenteil noch dabei hilft, jemanden auszuspionieren, weil er alle getippten Texte heimlich aufzeichnet."
Wir kicherten noch immer.
"Und den Spyware-Checker, wofür brauchte er den?", fragte Robert.
Jörgi kicherte nun ebenfalls: "Na, die Spyware-Tools würden ihn heimlich observieren und seiner Frau bestimmt Meldung erstatten, wenn er sich mal wieder schweinische Bilder anschaut."
Robert gluckste: "Er meint damit bestimmt die Bilder, die du immer per E-Mail verschickst?"
Jörgi ging nicht darauf ein: "Ja, soll ich ihm nun noch den Unterschied zwischen Adware und Spyware erklären und ihm verklickern, dass er sich mal lieber nicht so viele Gedanken machen sollte?"
Cookie regte sich auf: "Das sind diese Computermagazine. Die schreiben seit Monaten einen Artikel nach dem anderen, in denen dann diese Schwachsinns-Tools vorkommen. Die braucht kein Mensch. Ein Virenscanner reicht völlig." (Dem muss man nicht unbedingt zustimmen, d. Red.)
Dummer User 3
Ich hatte auch noch eine Geschichte auf Lager: "Ich hab gerade einen Mann kennen gelernt, der hat seinen externen und sauteuren CD-Brenner dreimal in die Werkstatt geschickt, weil seine frisch gebrannten CDs alle fehlerhaft waren. Sie ließen sich immer nur teilweise lesen, rödelten dann ewig herum und versagten irgendwann völlig den Dienst. Ihr werdet nie darauf kommen, wo hier der Fehler lag."
Cookie fragte nach: "Die Hardware war ganz bestimmt okay, oder?"
Ich nickte: "Yep".
Jörgi schnippste mit den Fingern: "Der Typ hat bestimmt versucht, DVD-Rohlinge im CD-Brenner zu toasten?"
Ich schüttelte den Kopf.
Robert war nahe dran: "Er hat die CDs falsch herum in den Brenner gelegt."
Ich winkte ab: "Noch viel besser. Der Typ hat seine CDs mit dem dicken Edding beschriftet. Nur leider auf der Datenseite und nicht auf der dafür vorgesehenen Oberseite."
Wo soll das enden?
Jörgi biss in seine Stoffserviette: "Wo soll das enden? Die Computer können immer mehr. Nur blöderweise beschließen immer mehr Anwender, lieber dumm zu bleiben, als zu lernen, wie man die PCs bedient. Die Leute lesen keine PC-Magazine und keine Bücher mehr. Sie machen sich nicht einmal mehr die Mühe, den Rechner in Eigenregie besser verstehen zu lernen. Ihnen reicht es völlig aus, wenn sie wissen, wie sie mit Word einen Brief ausdrucken. Auch wenn sie die Rechtschreibkontrolle nicht finden. Oder sie wissen, wie sie mit dem Internet Explorer bei Amazon.de einkaufen. Aber finde mal einen, der dazu in der Lage wäre, Dateien von der Festplatte auf eine Diskette zu kopieren."
"Oh, oh, oh". Das wussten wir, das kriegte kaum noch jemand hin.
"Freunde", meinte Jörgi, stand auf und hob das Glas. "Wir sehen schweren Zeiten entgegen. Die Anwender verblöden zunehmend und dass, wo doch die Rechner immer besser werden. Wo soll das hinführen? Ich weiß es nicht."
Der Kellner guckte schon komisch. Wir zerrten Jörgi wieder auf seinen Stuhl zurück und drückten ihm die Gabel in die Hand. Was ging uns das Unvermögen anderer Anwender an?
"Herr Ober, bitte noch ein Bier!"
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania