Das "Spiel des Jahres 2015" ist "Colt Express" von Christophe Raimbault (Ludonaute/Asmodee). Damit hat in diesem Jahr ein augenzwinkerndes Cowboy-Spiel gewonnen, das vor allem in großer Runde überzeugt. Die Jury des "Spiel des Jahres" erklärt: "Ein Spiel wie eine Westernparodie! Fast schon in Slapstick-Manier verlieren die Banditen die sicher geglaubte Beute in Schlägereien oder sie ballern einfach ins Nichts." Wer gerade noch darüber feixe, anderen Gaunern die Absichten vermasselt zu haben, tappe schon bald selbst in einen Hinterhalt. Diese Mischung aus Planung und Chaos habe Charme und viel Witz.
Mit dem "Spiel des Jahres" zeichnet eine unabhängige Fachjury seit 1979 das beste Gesellschaftsspiel eines Jahrgangs aus. Erschienen vor fast vierzig Jahren nur ein paar Dutzend Spiele im Jahr, dürfte es in diesem Jahr weit über tausend Neuerscheinungen gegeben haben. Die Jury will mit dem Preis"die Verbreitung des Kulturgutes Spiel in Familie und Gesellschaft" fördern. Mittlerweile gilt der Preis als die weltweit wichtigste Auszeichnung für Gesellschaftsspiele. Sämtliche modernen und millionenfach verkauften Klassiker wie "Die Siedler von Catan" (1995), "Carcassonne" (2001) oder "Zug um Zug" (2004) begannen ihren Triumphzug als „Spiel des Jahres“. In diesem Jahr waren neben dem Gewinner noch "The Game" und "Machi Koro" für die Auszeichnung mit dem berühmten roten Männchen nominiert.
"Kennerspiel des Jahres 2015" ist "Broom Service" der österreichischen Spieleautoren Andreas Pelikan und Alexander Pfister. Ebenfalls nominiert waren "Orléans" und "Elysium". Das "Kennerspiel des Jahres" wird seit 2011 vergeben. Mit dem grauen Männchen werden Spiele ausgezeichnet, die vom Anspruch her leicht über dem roten "Spiel des Jahres" liegen. Das Kennerspiel soll Spielfreunde dazu motivieren, auch einmal ein komplizierteres Spiel auszuprobieren und sich noch weiter auf das Hobby einzulassen. Neben dem diesjährigen "Spiel des Jahres" ("Colt Express") und "Kennerspiel des Jahres" ("Broom Service") stellen wir die vier weiteren Nominierten vor und sagen, für wen die Spiele besonders gut geeignet sind.
COLT EXPRESS
"Spaghetti-Western: das Spiel" wäre ein passender Name für dieses chaotische Partyspiel.
Worum geht’s?
Die Spieler nehmen die Rolle von Banditen ein, die gemeinsam einen Zug überfallen. Allerdings versucht jeder, möglichst viel der Beute für sich selbst abzuzwacken. Dabei geht man nicht zimperlich vor, andere werden gerne mal über den Haufen geschossen (es stirbt natürlich niemand!) oder ordentlich vermöbelt—ein Spiel in bester Spaghetti-Western-Manier.
Wie funktioniert’s?
Jede Runde beginnt damit, dass alle reihum Aktionskarten ausspielen, die vorgeben, wie die Banditen etwas später handeln. Der Clou: Erst wenn alle Karten abgelegt worden sind, bewegen sich die programmierten Banditen im Zug umher. Man muss also aufpassen, was die anderen planen, sonst kann es passieren, dass man nicht den Nebenmannes umhaut, sondern ein Luftloch schlägt oder wild, aber ziellos, in der Gegend herumballert.
Was ist toll?
Der Zug ist dreidimensional gestaltet und die Banditen und anderen Figuren bewegen sich auf dieser Miniatureisenbahn umher, ein so anschauliches Spiel hat man selten gesehen. Ansonsten geht es komplett chaotisch zu. Das Spiel lebt davon, dass ständig irgendwer die Aktionen falsch berechnet und seine Figur etwas völlig Unpassendes tun lässt.
Was nervt?
Das Spiel ist kleinteilig und kann grobmotorisch veranlagte Spieler in den Wahnsinn treiben, wenn diese versuchen, ihre Banditen im Zug umherzubewegen. Außerdem funktioniert "Colt Express" nicht sonderlich gut zu zweit—ein dicker Minuspunkt für die vielen Pärchenspieler.
Für wen ist es das Richtige?
Für Revolverhelden, die es abkönnen, wenn ein Spiel absolut unberechenbar ist, und die kein Problem damit haben, wenn über sie und ihre verhunzten Pläne gelacht wird. Zudem sollte man mindestens drei Mitspieler zur Hand haben, erst dann wird’s richtig lustig.
Details:
"Colt Express" von Christophe Raimbault, Asmodee, für 2-6 Spieler ab 10 Jahren, 45 Minuten Spielzeit, um 30 Euro.
MACHI KORO
"Machi" bedeutet "die Stadt" und "Koro" "würfeln". Mit zwei Wörtern Japanisch ist dieses Spiel aus Fernost schon einmal ausreichend umschrieben.
Worum geht’s?
Die Spieler würfeln, nehmen sich (ähnlich wie bei "Die Siedler von Catan") je nach Ergebnis Münzen oder klauen sie von ihren Mitspielern und kaufen sich damit eine Kartenstadt zusammen. Wer zuerst vier besonders teure Gebäude baut, gewinnt.
Wie funktioniert’s?
Jede Stadtkarte hat einen Wert von Zwei bis Zwölf und wenn die entsprechende Zahl gewürfelt wird, gibt’s Bares. Dementsprechend gilt: Je mehr Karten/Gebäude vor einem ausliegen, desto actionreicher wird das Spiel. In dem Sinne ist "Machi Koro" ein Wettrennen darum, seine Stadt möglichst schnell zusammen zu bekommen.
Was ist toll?
Man ist immer im Spiel, da man auch bei den Würfen der Mitspieler verdienen kann, zudem läuft "Machi Koro" so schnell ab, dass man eh alle zwei, drei Minuten dran ist. Wie viele andere Würfelspiele auch zieht "Machi Koro" einen Großteil seines Reizes daraus, dass man ständig mitfiebert und auf den perfekten Wurf hofft. Dadurch ist meist Spannung im Spiel. Die in der Spielregel erwähnte Variante "Komme, was wolle" macht das Spiel besser.
Was nervt?
"Machi Koro" ist—so sehr es auch abgefeiert wird—kein perfektes Spiel. Phasenweise kann es in eine belanglose Würfelei ausarten, wenn alle nur auf bestimmte Zahlen hoffen. Manchmal kommt es auch nur schwer in Gang und zu zweit ist es auch nicht sonderlich spannend, weil die Anreize fehlen, höhere Karten zu kaufen.
Für wen ist es das Richtige?
Zu dritt und zu viert ist dieses Spiel am besten, insbesondere für Gruppen, die keine strategische Tiefe erwarten oder viel nachdenken wollen. Für Familien mit Kindern ab acht Jahren ist es gut geeignet. Drauflosspieler werden blendend unterhalten.
Details:
"Machi Koro" von Masao Suganuma, Kosmos Verlag, für 2-4 Spieler ab 8 Jahren, 30 Minuten Spielzeit, um 13 Euro.
THE GAME
Wer ein Spiel "Das Spiel" nennt, muss überzeugt davon sein, dass es wirklich gut ist. Zum Glück ist "The Game" ein echter Kracher!
Worum geht’s?
Alle spielen gemeinsam gegen das Spiel und versuchen 98 durchnummerierte Karten in auf- und absteigender Reihenfolge auf vier Stapeln abzulegen. Gelingt dies, ist "The Game" besiegt, ansonsten gewinnt das Spiel.
Wie funktioniert’s?
Siehe oben. Einfacher geht’s tatsächlich nicht. Was allerdings nicht bedeutet, dass es leicht wäre, alle Karten loszuwerden, denn es gilt: Man darf sich zwar absprechen, aber keine konkreten Zahlenwerte nennen. Zudem müssen reihum immer mindestens zwei Karten abgelegt werden. Die Kommunikation zwischen den Spielern muss stimmen oder man wird seine Karten nie los und "The Game" gewinnt—mal wieder.
Was ist toll?
Nach ein paar schnellen Runden "The Game" entwickelt man seine eigene Sprache, um den Mitspielern mitzuteilen, was man vorhat. Das macht natürlich Laune, zudem gewinnt und verliert man gemeinsam, was zu einem tollen Gruppengefühl beiträgt. Skalierbar ist das Spiel auch. Hat man einmal gewonnen, kann man einen anderen Schwierigkeitsgrad in Angriff nehmen. Und nicht zuletzt: "The Game" kostet nur ein paar Euro, sodass man mit einem Kauf wirklich nichts falsch machen kann.
Was nervt?
Natürlich die Mitspieler, die meinen Wink mit dem Zaunpfahl mal wieder nicht verstehen und eine Karte ablegen, die mich komplett blockiert; beziehungsweise uns, denn wir spielen ja gemeinsam. Ärgerpotenzial gibt’s genügend, aber eigentlich ist das auch etwas Gutes, denn es lädt ein zu jenen Frozzeleien, die ein Spielerlebnis noch besser machen.
Für wen ist es das Richtige?
"The Game" funktioniert in allen Gruppen, mit der Familie und Kindern genauso wie mit den Kumpels, sogar ohne Mitspieler, da man es auch Patience-mäßig im Alleingang spielen kann. Besonders gut geeignet ist es natürlich für Leute, die keine großen Duelle mit ihren Mitspielern wollen, sondern sich lieber gemeinsam freuen bzw. ärgern möchten.
Details:
"The Game" von Steffen Benndorf, Nürnberger Spielkarten Verlag, für 1-5 Spieler ab 8 Jahren, 30 Minuten Spielzeit, um 8 Euro.
BROOM SERVICE
Hex, hex… Druiden und Hexen reisen durch die Landen!
Worum geht’s?
Die Zaubertrankproduktion und –zustellung ist ein verzwickter Prozess und jeder Spieler hat zwei Figuren zur Verfügung, die übers Spielbrett fliegen bzw. wandern und Türme mit bestimmten Tränken beliefern. Je weiter man reist, desto mehr Siegpunkte können verdient werden.
Wie funktioniert’s?
Jede Runde beginnt mit einer Karten-Zockphase, die es in sich hat und vorgibt, welche Aktionen (in ein benachbartes Feld ziehen, Tränke herstellen, ausliefern) man in selbiger Runde ausführen darf. Dabei kann man seine Karten "mutig" oder "feige" ausspielen. Wer feige spielt, darf eine weniger ertragreiche Aktion garantiert ausführen. Spielt man mutig, winkt eine wertvolle Aktion, die allerdings nur ein Spieler pro Runde ausführen darf; alle anderen, die dieselbe Aktion gewählt haben, gehen leer aus.
Was ist toll?
Ganz klar: "Broom Service" lebt von der gerade beschriebenen Kartenphase, die ähnlich abläuft wie in einem Stichkartenspiel und immer sehr spannend ist. Komme ich durch mit meinen"mutigen Karten oder sticht mich jemand aus? Kann ich jemandem eine mutige Aktion wegschnappen? Lese ich meine Mitspieler richtig? "Broom Service" ist das kommunikativste der drei nominierten Kennerspiele.
Was nervt?
Sieht man die Schachtel von "Broom Service", könnte man meinen, es ginge hier um "Die Kleine Hexe: das Spiel"—abschreckender kann man ein gutes Spiel kaum präsentieren. Der Spielplan ist ebenfalls sub-optimal gestaltet, da man nicht immer genau erkennt, in welchen Gebieten die Türme eigentlich stehen. Der Spielerklärer sollte seinen Mitspielern unbedingt die Beispiele im Regelheft zeigen, die klären zumindest einige Fragen auf.
Für wen ist es das Richtige?
"Broom Service" ist das perfekte Kennerspiel, geeignet für Fans des "Spiel des Jahres", die ein etwas komplexeres Spiel ausprobieren möchten. Im Anspruch liegt "Broom Service" leicht (aber spürbar!) über den drei nominierten Spielen und bietet ein dementsprechend intensiveres Spielerlebnis.
Details:
"Broom Service" von Andreas Pelikan und Alexander Pfister, alea Ravensburger, für 2-5 Spieler ab 10 Jahren, um 30 Euro.
ORLÉANS
Mal wieder Handel und Wandel im Mittelalter als Spielthema… diesmal allerdings mit Gefolgsleutebeutel!
Worum geht’s?
Die Spieler versuchen im mittelalterlichen Frankreich die Vorherrschaft auf verschiedenen Gebieten zu erlangen. Durch Handel, Warenproduktion oder Entwicklung werden Waren, Münzen und Punkte errungen.
Wie funktioniert’s?
Das Spiel findet größtenteils auf den persönlichen Spielertableaus statt. Hier bereiten die Spieler ihre Aktionen vor und setzen Arbeiter ein. Einen Vorrat an verschiedenen Arbeitern mit unterschiedlichen Fertigkeiten stellt man sich im Laufe des Spiels zusammen. Interessant und neu ist hierbei, dass man die Arbeiter in einem Beutel sammelt und in jeder Runde eine bestimmte Anzahl herauszieht. Es kommt also auf die richtige Mischung im Beutel an, deshalb ist der Begriff "Bag building game" für "Orléans" aufgekommen.
Was ist toll?
"Orléans" hat einige Elemente, die man schon aus anderen Spielen kennt. Der "Beutel-Mechanismus" allerdings ist neu und erhebt dieses Spiel über so viele andere. "Orléans" ist zudem erstaunlich leicht zu erlernen und läuft schnell ab, da die Spieler fast immer gleichzeitig spielen. Man kann viele Strategien ausprobieren, sodass "Orléans" so schnell nicht langweilig wird.
Was nervt?
Spielertableau und Hauptbrett sind etwas unübersichtlich gestaltet, teilweise kann man nicht erkennen, wo überall schon Marker liegen. Die vielen Pappchips sind sehr klein geraten. Zudem ist den Machern ein Fehler auf einer Ortskarte unterlaufen, der eine offizielle Richtigstellung auf der Verlagswebseite nötig machte. Nur soviel: Im "Badehaus" zieht man jetzt zwei statt drei Plättchen.
Für wen ist es das Richtige?
"Orléans" ist ein Spiel für Strategen, die traditionelle Spiele wie "El Grande" auf der diesjährigen "Spiel des Jahres"-Nominierungs-Liste vermissen. "Orléans" ist der perfekte Mix aus klassischem "Eurospiel" und brandneuen Mechanismen. Ein sehr gutes Spiel!
Details:
"Orléans" von Reiner Stockhausen, dlp games, für 2-4 Spieler ab 12 Jahren, 90 Minuten Spielzeit, um 45 Euro.
ELYSIUM
Halbgötter mit Ambitionen wollen auf den Olymp!
Worum geht’s?
Die Spieler erwerben Artefakte und stellen sich heroischen Aufgaben, um in ihrem kleinen Elysium beeindruckende Familienmythen zu bilden, mit denen sie sich über alle anderen erheben. Man könnte allerdings auch sagen: Die Spieler nehmen sich Karten, nutzen diese eine Weile lang und bilden dann Kartenreihen.
Wie funktioniert’s?
In jeder Runde werden Karten auf eine recht komplexe Weise versteigert. Diese Karten kommen in die "Sphären" der Spieler, wo ihre Effekte genutzt werden können. Später gehen die Karten über ins "Elysium" der Spieler, wo Kartenreihen Siegpunkte einbringen. Es geht also um die optimale Nutzung der Karten: Welche Kombinationen nehme ich mir? Wie lange lasse ich die Karten in meiner Sphäre? Welche Karteneffekte lassen sich am besten kombinieren? Das lässt einem schon mal den Kopf rauchen.
Was ist toll?
Das Spiel ist etwas für Mythologie-Nerds und Griechenland-Fans. Es gibt 168 Karten, die von acht verschiedenen Künstlern gestaltet wurden und wirklich beeindruckend aussehen. Man benötigt pro Spiel nur 104 Karten, sodass man ständig eine neue Ausgangssituation kreieren kann. Das Versteigerungssystem zu Beginn jeder Runde ist innovativ.
Was nervt?
"Elysium" verleitet zum Grübeln, weil alle Elemente des Spiels so intensiv miteinander verzahnt sind. Spieler nennen das entstehende Phänomen "Analyse-Paralyse": Es gibt so viel zu bedenken, dass man erstmal gar nichts macht. Sind Spieler mit von der Partie, die immer den perfekten Zug durchführen wollen, kann es ziemlich langwierig werden.
Für wen ist es das Richtige?
„"Elysium" ist ein Spiel für Taktiker und Strategen, die Spielsituationen gerne durchdenken und kein Problem damit haben, ein kniffeliges Spiel ein paar Mal spielen zu müssen, bevor sie es richtig durchdringen. Auf "Elysium" muss man sich einlassen wollen.
Details:
"Elysium" von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert, Asmodee, für 2-4 Spieler ab 14 Jahren, 60 Minuten Spielzeit, um 42 Euro.