Um es von Anfang an zu sagen: Ich bin ein "South Park"-Fan. Schon als Jugendlicher habe ich keine Folge der Serie verpasst und bin Cartman, Kenny, Stan und Kyle bis heute treu geblieben. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an "South Park: Der Stab der Wahrheit". Immerhin haben die Schöpfer der Kult-Serie, Trey Parker und Matt Stone, nicht nur die Story des Spiels geschrieben, sondern sprechen auch, wie im Original, die Charaktere selbst. Die besten Voraussetzungen also, um mich stundenlang an PC oder Konsole zu fesseln, oder?
Genau wie die Serie
Einen ersten Dämpfer bekommt meine Vorfreude gleich nach dem Spielstart: Ich soll einen Charakter erstellen. Bedeutet das etwa, dass ich nicht als Cartman oder Butters durch die kleine Bergstadt in Colorado ziehen darf? Nun gut, ich erstelle mir ein Kind im typischen "South Park"-Look und suche mir dann noch etwas Schickes zum Anziehen aus. Sofort nach dem Start sind meine Bedenken verflogen: Das Bild auf dem Monitor sieht aus und klingt genauso wie die Serie. Nicht nur in den Zwischensequenzen, das gesamte Spiel ist liebevoll animiert und bis ins kleinste Detail den Vorgaben des TV-Formats nachempfunden. Es ist, als würde ich mir eine Folge "South Park" anschauen. Mit dem Unterschied, dass die Figur auf dem Bildschirm genau das macht, was ich ihr sage. Dabei ist die Story völlig neu: Die Kinder spielen eine eigene Fantasywelt nach und kämpfen untereinander um den "Stab der Wahrheit", der eigentlich nur ein gewöhnlicher Ast ist. Schnell entspinnt sich so eine rasante und - wie von "South Park" nicht anders zu erwarten - teils völlig abstruse Geschichte.
Die Steuerung ist schnell erklärt und geht leicht von der Hand. Das Smartphone im Spiel dient als Inventar und Questlog, so dass alle wichtigen Informationen schnell und unkompliziert zu erreichen sind. Netter Zusatz: Im Verlauf des Spiels bekomme ich immer wieder Nachrichten von verschiedenen Charakteren geschickt. Dadurch wird das Gefühl erzeugt, Teil der lebendigen Welt von "South Park" zu sein. Und in der gibt es einiges zu entdecken. Die gesamte Stadt mit all den Charakteren, die ich im Laufe der Jahre so liebgewonnen habe, warten auf mich. Wohin ich zuerst gehe, liegt an mir, das Spiel ist vollständig als offene Welt angelegt. Doch zunächst zeigt mir der erste meiner "South Park"-Lieblinge, wie das Kampfsystem des Spiels funktioniert.
Den Humor muss man mögen
In der Kunst des Kampfes wird mich kein Geringerer unterrichten als Großmaul Eric Cartman persönlich. Mit dem ewig politisch inkorrekten Cartman zündet dann auch endlich der wunderbar schwarze Humor, für den ich "South Park" so liebe. Mit Sprüchen, die immer kurz davor stehen, den Bogen zu überspannen, erklärt mir Cartman das Kampfsystem. Wer den derben Humor nicht mag, wird spätestens ab jetzt keine Freude mehr an dem Spiel haben. Ich aber freue mich über das pure Serienfeeling und lache herzlich über die Gags und Anspielungen. So ist es egal, was ich bei der Eingabe meines Namens schreibe, Cartman hat bereits festgelegt, dass er mich einfach als Saftsack anreden wird. Bevor ich mich in den Kampf stürze, muss ich mich dann noch für eine Klasse entscheiden. Zur Auswahl stehen Krieger, Magier, Dieb - und Jude. Wie gesagt man muss den Humor mögen.
Kampflos glücklich
Nachdem Cartman also festgestellt hat, dass ich aufgrund meiner Klassenwahl - ich habe mich für den Juden entschieden - eher "die Buchhaltung machen sollte", beginnt der erste Kampf. Hier zeigt sich die große Schwäche von "South Park: Der Stab der Wahrheit": Die rundenbasierten Kämpfe sind einfach nur langweilig. Obwohl ich die Konfrontationen mit den Gegnern dann doch gemeinsam mit meinen Helden aus der Serie bestreiten darf, kommt in den Kämpfen keine Spannung auf. Irgendwie scheinen das selbst die "South Park"-Macher schon vorher geahnt zu haben: "Ich weiß es ist lahm, aber wir machen das nun mal so", sagt Cartman zur Einführung.
Immer wieder setze ich meine Waffen und Spezialfertigkeiten ein, um Gegner anzugreifen oder ihre Angriffe abzuwehren. Auf Dauer wird das ziemlich eintönig, daran ändert auch die Möglichkeit nichts, durch rechtzeitiges Drücken des Buttons beim Aufblinken der Waffe die Wucht des Angriffs zu verstärken. Insgesamt fehlt es den Kämpfen an taktischer Tiefe. Mehr Vielfalt und mehr Action hätten dem Spiel gutgetan. So gehe ich den optionalen Gefechten meist aus dem Weg und versuche mich auf der Karte an den Gegner vorbei zu schleichen. Leider machen die Pflichtkämpfe aber einen großen Teil des Spielinhalts aus.
Fazit: Ein großer Spaß für echte Fans
Auch wenn das Kampfsystem mich nicht überzeugen kann - was schade ist, da Entwickler Obsidian bei Spielen wie "Alpha Protocol" bereits gezeigt hat, dass sie es besser können -, bin ich der dichten Atmosphäre des Spiels einfach erlegen. "South Park: Der Stab der Wahrheit" holt einfach alles auf den PC oder die Konsole, das ich an der TV-Serie so liebe: die Sprüche, die Story und auch die absolut authentische Grafik lassen "South Park" in meinem Wohnzimmer lebendig werden. Das Beste: Ich bin ein Teil davon und kann die Geschicke meines Helden zusammen mit meinen Lieblingscharakteren durch eine sehr gut erzählte Handlung führen. Zusammen mit der Originalvertonung aus der Serie hat mich das Spiel gefangen. Wer allerdings keinen Gefallen an "South Park" und dem manchmal grenzwertigen Humor findet, wird mit dem Spiel wahrscheinlich nicht viel Spaß haben. Für alle anderen bietet "South Park: Der Stab der Wahrheit" wahrscheinlich das beste Serienfeeling, dass ein Spiel seit Langem erreicht hat.