Die Experimente könnten gegensätzlicher nicht sein, doch das Ergebnis ist das gleiche: Die "Gefällt mir"-Funktion, auch Like-Button genannt, macht Facebook nicht unbedingt zu einem besseren Ort. Gerade erst hat der Journalist Mat Honan davon erzählt, was passiert, wenn man zwei Tage lang alles "liket", was einem vor die Flinte kommt. Nun beschreibt die Designerin Elan Morgan den genau entgegengesetzten Versuch: Zwei Wochen lang hat sie vollkommen darauf verzichtet, bei Facebook auf "Gefällt mir" zu klicken.
Und das war gar nicht so leicht. "Bei Hunderten von Posts und Kommentaren schwebte meine Finger fast wie von Zauberhand zum Like-Button", schreibt Morgan auf der Blog-Plattform "Medium". Das sei für sie immer wie ein Reflex gewesen, die einfachst-mögliche Art, Zustimmung und Anteilnahme auszudrücken. So einfach, dass sie befürchtete, gar nicht mehr anders kommunizieren zu können. Statt Kommentare zu schreiben und sich wirklich mitzuteilen, drückte Morgan nur noch auf "Gefällt mir".
Worte sind besser als Likes
Doch das änderte sich nun mit ihrem Verzicht. "Ich hatte noch immer den Wunsch, Menschen wissen zu lassen, dass ich ihre Posts gelesen hatte und sie mochte." Aber der einfache Klick auf den erhobenen Daumen war keine Option mehr. "Plötzlich fühlte ich mich unsichtbar." Also begann Morgan, die Beiträge anderer Facebook-Nutzer wieder zu kommentieren. Unter das Babyfoto einer Freundin schrieb sie: "Was für ein fantastischer Haarschopf!" Und unter den Hochzeitsfotos von Bekannten schwelgte sie in Erinnerungen: "Weißt du noch, wie wir uns in der Gartenlaube vor deiner Oma versteckt und Zigaretten geraucht haben?"
Wo ihr Konterpart Honan die Erfahrung gemacht hatte, dass zu viele Likes den Facebook-Nachrichtenstrom unpersönlich und inhaltlich aggressiver machen, spürte Morgan nun das Gegenteil: Sie sei präsenter und engagierter geworden und habe sich ihren Online-Freunden wieder näher gefühlt. "Es zeigte sich, das in Worten mehr Menschlichkeit und Liebe stecken als im Benutzen der 'Gefällt mir'-Funktion."
Weniger Kätzchen, weniger Folter
Außerdem hebelte sie mit dem Like-Verzicht den Facebook-Algorithmus aus, der einem immer noch mehr von den Dingen in den Newsfeed spült, die einem vermeintlich gefallen. Wobei er aber leider oft falsch liegt: "Du hast acht süße Katzenvideos geliket? Dann willst du bestimmt dieses Bild von acht süßen Katzen sehen, die von Wissenschaftlern gefoltert werden!", mokiert sich Morgan. Auch mit solchen Ärgernissen war es in ihrem Experiment plötzlich vorbei. Weniger niedliche Vierbeiner, aber auch kaum noch grausame Bilder und Videos oder politischer Fanatismus - wieder das genaue Gegenteil von Honans Erkenntnissen.
Und ein Grund mehr, warum Elan Morgan ihre "Gefällt mir"-Diät jedem weiterempfiehlt. "Als ich aufhörte zu liken, fing ich fast an, Facebook zu mögen", schreibt sie. "Es könnte sogar sein, dass eure Freunde sehr viel liebenswerter sind, als Facebook sie erscheinen lässt."