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Soziale Netzwerke Facebook zog rechte Seiten linken vor – und Mark Zuckerberg nickte das ab

Mark Zuckerberg
Facebook-Chef Mark Zuckerberg gilt als weitgehend unpolitisch
© Bertrand Guay / AFP
Facebooks Rolle in demokratischen Wahlen wird aktuell heiß diskutiert – und auch die von Mark Zuckerberg selbst. Der Gründer und Chef des Netzwerkes soll lange unpolitisch gewesen sein. Doch seine Entscheidungen sprechen eine deutliche Sprache.

Fake News, manipulierte Wahlwerbung und offen rechtsextreme Posts: Bei Facebook erhalten oft auch hochproblematische Inhalte eine große Bühne. Dabei galt Chef Mark Zuckerberg lange als unpolitisch. Tatsächlich soll das Netzwerk aber systematisch Seiten mit rechten Inhalten besser sichtbar gemacht haben. Und das mit Zustimmung Zuckerbergs.

Das berichtet das etablierte "Wall Street Journal" in einem großen Stück zum Facebook-Chef und seiner politischen Einmischung. Demzufolge hatte Facebook in Reaktion auf die Kritik nach der US-Wahl 2016 beschlossen, politische Inhalte weniger sichtbar zu machen. Bei der Anpassung des Algorithmus sollten eigentlich politische Seiten aller Coleur gleichermaßen weniger Menschen gezeigt werden, erklärten Insider der Zeitung. Doch die Entscheidungsträger hätten sich um den Effekt auf rechts-konservative Medien wie das ausgesprochen beliebte Blog "The Daily Wire" gesorgt. Die Entwickler hätten den Algorithmus letztlich noch einmal angepasst – und linke Seiten wie "Mother Jones" stärker benachteiligt. Mark Zuckerberg habe die Entscheidung persönlich abgesegnet, berichtet das "WSJ".

Damit konfrontiert, dementierte Facebook gegenüber dem "WSJ". Man habe nicht einzelne Publisher gezielt benachteiligt, sagte ein Sprecher. Den grundsätzlichen Vorwurf, dass linke Seiten stärker als rechte betroffen waren, scheint das Unternehmen aber nicht abzuweisen.

Der Effekt soll spürbar gewesen sein. Auch wenn "The Daily Wire" gegenüber der Zeitung versicherte, von Facebook keine Vorzüge zu erhalten, stellte "Mother Jones" einen messbaren Einbruch der Interaktionen mit den eigenen Facebook-Posts fest, klagte die Chefin Monika Bauerlein bereits 2019 in einem Blogpost. Ihr klares Fazit: "Facebook verbreitet nicht nur Falschmeldungen – sondern tötet echte Nachrichten."

Guter Kontakt ins Weiße Haus

Zuckerberg indessen scheint mit konservativen Politikern einen intensiveren Umgang zu pflegen. Er traf sich bereits mehrfach mit dem republikanischen Präsidenten Donald Trump zum Essen, mit dessen Schwiegersohn Jared Kushner soll er sich rege über den Messenger Whatsapp austauschen, will das "WSJ" erfahren haben. Und auch mit dem "Daily Wire"-Gründer und Sprachrohr der Konservativen, Ben Shapiro, soll er regelmäßig über politische Ansichten diskutieren. Mit der US-Linken ist der Austausch dagegen wohl weniger offen. Wohl auch, weil aus den Kreisen der Demokraten bereits mehrfach Attacken gegen Facebook und andere US-Techkonzerne gefahren wurden. Aktuell werden im US-Kongress etwa Monopol-Vorwürfe gegen die Konzerne untersucht.

Welche Beweggründe genau hinter der Entscheidung stecken, die rechten Seiten weniger zu benachteiligen, verrät der Bericht nicht. Es ist anzunehmen, dass man damit Vorwürfe entkräften wollte, dass konservative Medien bei Facebook benachteiligt würden. Diese waren weltweit immer wieder aus konservativen Kreisen erhoben wurden. Tatsächlich waren bei Facebooks Vorgehen gegen Fakenews vor allem Seiten aus dem Spektrum rechts der Mitte betroffen. Dort hatte es aber auch schlicht mehr Seiten gegeben, die systematisch auf übertriebene oder ganz erfundene Inhalte setzten, um Besucher zu generieren. Ein wichtiger Aspekt für Facebook könnte zudem gewesen sein, dass die konservative Themen und Gruppen bei Facebook deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielten. 

US-Wahl

Keine Ideologie – aber gleiche Interessen

Ob auch Zuckerberg selbst politisch hinter diesen Seiten steht, darf bezweifelt werden. Dem ausführlichen Bericht zufolge hatte sich der Gründer des sozialen Netzwerkes jahrelang nicht merkbar um Politik gekümmert. In den Anfangsjahren sei er kaum durch politische Äußerungen aufgefallen, alte Wegbegleiter hätten ihn politisch als - nach US-Maßstäben - Mitte-Links eingeordnet. Und auch das soziale Netzwerk sei grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet gewesen, eine politische Strömung zu bevorzugen. Man habe sich immer als neutrale Instanz der Meinungsfreiheit verstanden, so der Bericht.

Dass sich daraus nun eine politische Allianz mit konservativen Politikern ergibt, liegt wohl auch daran, dass diese in Bezug auf Meinungs- und Marktfreiheit eher auf Seite des Konzerns stehen, als das bei den progressiveren Politikern der Fall ist. Ein Beispiel, in dem Facebook eher mit linker Politik auf einer Linie lag, waren etwa Bemühungen, eine offenere Einwanderungspolitik zu erreichen. Facebook engagierte sich - im starken Kontrast zur US-Rechten - für eine Lockerung der Einwanderungs-Regeln. Dabei hatte man durchaus eigennützige Interessen: Ein einfacher Weg, talentierte Entwickler ins Land zu holen, würde auch Facebook eine größere Auswahl passender Einstellungs-Kandidaten liefern. Nachdem man einige Monate bei der Trump-Regierung dafür geworben hatte, legte Zuckerberg den Plan allerdings auf Eis. Er sei angesichts der Krise um Familentrennungen an der Grenze "zu heiß", entschied der Facebook-Chef.

In den letzten Monaten wurde der Vorwurf der Wahlbeeinflussung aber wohl zu groß. Facebook ging, wie auch andere soziale Netzwerke wie Twitter oder Youtube, verstärkt auch gegen konservative Gruppen vor, wenn sie Falschmeldungen zum Coronavirus, zu Impfungen oder zur durch Donald Trump umstrittenen Briefwahl verbreiteten. Auch gegen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden gerichtete Wahlwerbung, die mit Manipulation von Videoaufnahmen arbeitete, wurde gesperrt. Der größte Schlag war sicher die Sperrung vieler Gruppen und Accounts, welche den Qanon-Verschwörungsmythos vorantrieben.

Die größte Prüfung dürfte allerdings noch bevorstehen. US-Geheimdienste warnen bereits jetzt vor der Gefahr, dass ausländische Geheimdienste bei Facebook und Co. die Legitimität der am 3. November anstehenden Präsidentschaftswahl zu untergraben versuchen. Das Netzwerk sieht sich "so gut vorbereitet wie noch nie." Der Herbst dürfte für Facebook trotzdem heiß werden.

Quelle:Wall Street Journal, The Verge

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