Zielsicher und fest entschlossen greife ich mir also meine fünf Zeitungen. Wobei 'greifen' es nicht richtig trifft. Ich reiße sie extra doll aus dem Ständer, weil ich weiß, dass sie das hasst. Auf dem Meter hin zur Kasse blättere ich bereits hektisch einige Gazetten durch. Auch dafür bin ich schon mächtig angeraunzt worden. Extrem arrogant werfe ich ihr den 50-Euro-Schein auf den Tresen. Ich bin jetzt voller Erwartung (und Vorfreude) auf die Hasstirade meines Lebens. Die Frau muss platzen vor Wut, denke ich.
Wie konnte es soweit kommen? Lesen Sie weiter! Ich habe sie nicht beklaut. Okay, ich bin Deutscher, noch dazu Journalist, ABER: Ich begrüße sie morgens nicht mit "Moin", sondern artig mit "Grüß Gott". Zahle immer mit Kleingeld und nicht mit großen Scheinen. Ich weiß einfach nicht, was die Dame, schätze sie auf das gefährliche Frauenalter zwischen 45 und 50, gegen mich hat. Ist mir mittlerweile auch egal.
Aber das tut sie nicht. Sie hat Tränen in den Augen. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Wie geht man jetzt mit so einer Situation um? Ich besinne mich darauf, eigentlich ein freundlicher Mensch zu sein. Auf einen Schlag ist all die Abneigung wie weggepustet. Ich frage sie, ob ich ihr helfen könne. Das macht es noch schlimmer. Sie bricht in Tränen aus, sie schluchzt (kennen Sie dieses ganz schlimme Heulen???) und versucht erste sprachliche Bruchstücke herauszulassen.