In den USA droht den Betreibern von Web-Radios großer Ärger, der für viele kleine Sender das Aus bedeuten könnte. Am 6. März entschieden die drei zuständigen Richter, die sich um Copyright und Abgaben der Webcasting-Stationen kümmern, dass diese für den Zeitraum bis 2010 drastisch erhöht werden. Das Copyright Royalty Board (CRB) änderte die bisher fälligen, moderaten Raten ab. Diese lagen je nach Reichweite des Senders, bei sechs bis 12 Prozent der Einnahmen des Senders.
Jetzt soll, nach dem Willen der CRB pro gespieltem Song und pro Hörer abgerechnet werden. Diese neuen Gebühren liegen dann beispielsweise im Jahr 2008 bei 0,14 Dollar-Cent pro gespieltem Song, 2009 schon 0,18 Dollar-Cent und 2010 dann bei 0,19 Dollar-Cent. Mit dieser neuen Regelung explodieren die Raten um astronomische 300 bis 1.200 Prozent. Dahinter steckt die "Recording Industry Association America", kurz RIAA. In ihr organisiert sich die amerikanische Musik-Industrie. Und das Unternehmen "Sound Exchange" treibt stellvertretend für sie die fälligen Gebühren von den Webradios ein. Doch der Ärger um die Abgaben begann schon viel früher. Bereits 1995 traf die Webradio-Szene ein erster Schlag. Damals setzte die RIAA eine Extra-Abgabe für "Digitale Musik" durch. Die Radiostationen im Netz zahlen seitdem zur normalen Abgabe noch eine spezielle Abgabe für das tatsächliche Streaming der Songs. Dieses Extra-Schmankerl erhalten die Plattenlabels und deren Musiker.
Tausende Aktivisten protestierten
Besonders heikel: die Gültigkeit der neuen Regelung. Stichtag war der 15. Mai 2007. Dem angekündigten GAU des freien Netz-Radios folgte der massive Protest. So gründete sich "Savenetradio.com". In der Organisation sammelte sich eine große Koalition aus Hörern, Künstlern und Radiobetreibern. Alle engagieren sich jetzt, um die in ihren Augen tödliche Katastrophe doch noch aufzuhalten. Die Lobby-Gruppe sammelte innerhalb weniger Wochen 400.000 Unterschriften, die sich gegen die Abgaben-Erhöhung aussprachen. Und am ersten Mai marschierten Tausende Aktivisten protestierend durch New York. Mit Erfolg. Denn nur einen Tag später ruderte die mächtige CRB zurück und verschob das Startdatum der neuen Regelung auf den 15. Juli 2007. Der Zeitgewinn verschafft den Gegnern die Möglichkeit, heftigeren Widerstand gegen die CRB zu organisieren
Die amerikanischen Webcaster ärgert besonders die Tatsache, dass die Regelung auch rückwirkend für 2006 gelten soll. Gerhard Moser fungiert als Pressesprecher des Unternehmen "Coding Technologies", das Audio-Kompressions-Technologie für viele Sender, unter anderem auch für "Digitally Imported (D.I.)", zur Verfügung stellt. Das D.I.-Netzwerk sendet seit fast acht Jahren auf 39 Stationen, meist Sound elektronischer Natur. Mit Erfolg, wie die bis zu 60.000 Hörer pro Tag zeigen.
Regelung nicht im Sinne der RIAA
"Wohin die Reise im Internetradio geht, ist zur Zeit nicht klar. Und mal sehen, in welchem Maße diese neue Regelung tatsächlich umgesetzt wird. Denn es ist sicher nicht im Sinne der RIAA, das die Plattform für Musiker wegfällt", sagte Moser auf stern.de-Anfrage. "Wir haben unsere Technologie lizenziert. Es interessiert uns natürlich schon, wenn unsere Lizenznehmer wegbrechen."
Am Ende könnte das also für die Community weniger Auswahl und Qualität der Musik bedeuten. Die Innovationen, oder die Chancen für unbekannte, schrabbelige Garagenbands gehört zu werden, gingen verloren. Und die Hörer? Sie würden wohl zu den Sendern abwandern, die ihre Streams aus den restlichen 192 Ländern senden.