Ein Besuch in Elvis' Prunkpalast Graceland nährt diesen Verdacht. Während im Erdgeschoss herumspaziert und allerhand begrabscht werden darf, ist am Treppenaufgang zum ersten Stock Schluss. "You can't go upstairs; that part of Graceland is forever closed to the public." Was nicht weiter schlimm wäre, wenn sich dort all die schicken Anzüge befänden, in denen der King besonders zum Ende seiner irdischen Karriere aussah wie eine Wurst im Bratschlauch. Prall wie das Michelin-Männchen, die Arme mit Ach und Krach an die Akustische gezwängt und die Haare voll Öl, das über DIN A5-breite Koteletten in den Hemdkragen rinnt.
Der King, ein Hungerkünstler?
Melancholische Reminiszenzen. Weswegen sich wohl auch kein Fremdenführer ins Oberstübchen des Königs traut. Doch wer bringt dann dem King die geschätzten 32 Mahlzeiten pro Tag? Ein Fremdenführer muss das nicht, dafür gibt es schließlich Hauspersonal. Das aber hat in Graceland schon seit einem Vierteljahrhundert frei. Der King, ein Hungerkünstler? Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Der amerikanische Präsidentendarsteller George W. Bush beispielsweise war bis zu seinem 40. Geburtstag fast täglich sturzbesoffen. Pünktlich mit dem Auspusten des letzten Lichts auf der Geburtstagstorte soll der Heilige Geist in ihn gefahren sein. Bush entsagte dem Schnaps und griff fortan zur Bibel. Hosianna. Der Rest ist bekannt.
Thomas Hirschbiegel
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Weswegen vielleicht die Mutmaßung eines frommen Amerikaners zutrifft. Jener ist des festen Glaubens, in Elvis eine Art Erlöser erkannt zu haben. Einer, der zwar nicht von den Toten auferstand, sich dafür aber auch nach seinem "Tod" bei diversen Hippen und Hausfrauen blicken ließ. Weiland mit Schlaggitarre vor dem damals noch ranken Korpus, hatte Elvis wahrlich einen Schlag bei den Damen. Und zu gönnen wäre es ihm auch heutzutage allemal. Jedenfalls besser, als den ganzen Tag Süßzeugs und Fast Food in sich hineinzustopfen.