Doch es soll ja auch nicht um E-Mail-Verweigerer gehen. Oder doch, wenigstens kurz: Welch stramme Leistung eines gefestigten Charakters, heutzutage, inmitten der lauen Luft der digitalen Revolution "nein" zu sagen. Keine E-Mail-Adresse zu besitzen. Ich kenne keinen. Würde einem solchen aber gerne erzählen, warum ich keinen Fernseher habe - bei einem Glas handgemachtem Rotwein, vor dem Kamin, in dem selbst gehacktes Holz brennt. Doch darum geht es hier nicht.
Hier geht es um Namen, um Aliase, um Identitäten, die E-Mail-Adressen ausdrücken, ausdrücken sollen oder manchmal auch ins Gegenteil verkehren. Da gibt es die klassisch normierten, nach irgendwelchen starren Regeln gebildeten Adressen in Firmennetzen. Angelika.Mustermann@diefirmasoundso.de zum Beispiel. Oder AMustermann@... Stinklangweilig. Dann gibt es die Wichtigen in kleinen Firmen, deren Adresse mit "MarketingundMarktforschung" oder "Geschäftsleitungsvorzimmer" oder "Problemloeser_EDV" beginnt, um dann in schnöden Allerweltsdomains wie hotmail.com, aol.com oder gmx.de zu enden. Ich bin mir nie sicher, ob Verzweiflung treibende Kraft ist, weil bei den großen Anbietern Millionen und Abermillionen vor ihnen waren und so ziemlich jede mögliche Buchstaben- und Zahlenkombination bereits vergeben ist. Oder ob hier einfach Superschlaumeier am Werke sind. Mag die Wahrheit in der Mitte liegen, peinlich bleibt es.
Den Vogel schießen mal wieder die Jungs und Mädels mit dem großen T ab. Wer seinem gesponserten Superstar Jan Ullrich nicht rechtzeitig die eigene Handyrechnung zahlt und daraufhin den Anschluss sperrt, ist auch kreativ im Umgang mit E-Mail-Adressen. Und so stelle ich mir das Szenario vor:
Guido Augustin
Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.
Eine Vision…
Herr Donalt von der Deutschen Telekom ist zuständig für... er weiß es auch nicht genau. Heute soll er gucken, ob die Daten der Kunden stimmen, die bei der Telekom (oder war es T-Online oder T-Com oder T-Ei?) eine Internetadresse haben. Also fragt er sie. Will er. Dann merkt er, frei nach Georg Danzer: "Hoppla, das sind ja schon ganz schön viele!" Also beschließt er, allen eine E-Mail zu schreiben. Wieder bekommt er Angst. Angst vor Antworten. Wenn alle antworten und er sein Arbeitstempo beibehält, erreicht er die Pensionierungsgrenze beim Buchstaben F. Das geht nicht. Dann müsste er ja schon bei E aufhören mit lesen, um seinen Nachfolger einzuarbeiten.
Die geniale Lösung: Keiner soll antworten, wer was will, soll ihn in Ruhe lassen, und so verweist er leger auf das Call-Center, das auch per E-Mail erreichbar sei: dk.call-center@telekom.de. Für was "dk" steht, weiß er nicht, obwohl er in Kiel sitzt. Nun muss er nur noch verhindern, dass die Empfänger direkt auf seine Mail antworten. Deshalb wählt er sich die genialste aller jemals erwählten, für alle Zeiten schier unschlagbare E-Mail-Adresse: bitte_nicht_hierher_senden@t-domain.de. Von diesem Menschen würde ich Aktien kaufen.