Kolumne - Neulich im Netz Jonas Online und das böse T: Bin ich jetzt drin?

Es gab eine Zeit, da regnete es Fusionsmeldungen. Große fraßen Kleine und Mittlere, Mittlere fraßen Kleine, Kleine verschluckten sich an anderen Kleinen. Nicht alle konnten ihr Mahl verdauen. Jetzt elektrisiert ein Gerücht die Branche: T-Online wolle AOL schlucken.

Es gab eine Zeit, da regnete es Fusionsmeldungen. Große fraßen Kleine und Mittlere, Mittlere fraßen Kleine, Kleine verschluckten sich an anderen Kleinen. Nicht alle konnten ihr Mahl verdauen. Es war eine lustige Zeit, weil viele der SLK- und Boxster-Fahrer der so genannten New Economy nicht wussten, von wem sie am nächsten Tag ihre astronomischen Gehaltsschecks bekommen würden. Jetzt elektrisiert ein Gerücht die Branche: T-Online wolle AOL schlucken.

Selbstredend wurde postwendend dementiert, und die perfide Maschinerie kam sofort wieder in Gang: Ein Dementi gilt demnach als klare Bestätigung, wie die Mär vom neinsagenden Mädchen. Ob AOL nur das eine will, wissen wir nicht, aber dass die Entwicklung der einstigen Kopf-an-Kopf-Rivalen um die Gunst der bundessdeutschen Surfer unterschiedliche Wege nahm, ist hinlänglich bekannt. Offenbar gelang es dem T-Konzern ungleich besser, eine negative belastete Marke zu positiver Geschäftsentwicklung zu nutzen als AOL, eine positiv besetzte Marke pekuniär umzusetzen. Mittlerweile klaffen die Kundenzahlen weit auseinander, das Rennen ist zu Gunsten von T-Online entschieden.

Postmoderner Jonas im Bauch eines Fisches

Es wäre ein Treppenwitz einer verblassten Zeit, zu der für Firmenfeste ganze Alpendörfer gemietet wurden und in der vor allem Lufthansa und Autovermieter profitierten, weil sich wichtige Menschen schnell und schneller in Meetings Blubber entgegen blasen mussten. AOL, das mittlerweile ungeliebte Kind bei Time Warner also als postmoderner Jonas im Bauch des großen Fischs aus dem beschaulichen Weiterstadt, bei dem die Kriegskassen prallst gefüllt sind?

Guido Augustin

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das A der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Der biblische Vergleich birgt spannende Aspekte, denn, erinnern wir uns, der Prophet Jona wurde von Gott nach Ninive gesandt um gegen das Laster zu predigen. Doch der wollte nicht, wie der Herr wollte und machte sich davon. Sein Schiff kam in einen Sturm und die Seeleute warfen den armen Tropf schließlich über Bord, das Meer beruhigte sich. Nicht aber Jonas, der kurz vor dem Ertrinken von einem großen Fisch geschluckt wurde: "Bin ich jetzt schon drin, oder was?" Er war es und blieb es für drei Tage und drei Nächte. Dort betete er und versprach, den Auftrag des Herrn zu erfüllen und - schwupps - spuckte der Fisch ihn wieder aus. Jonas ging nach Ninive, kündigte den Untergang der Stadt an. Ihm wurde geglaubt, und die Bewohner begannen sogleich, streng zu fasten und wurden verschont. Das kann ja noch heiter werden.

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