Die deutschen Artikel der freien online-Enzyklopädie Wikipedia sollen gedruckt werden. Dieses ehrgeizige Ziel verfolgt der Zenodot-Verlag. Der erste Band soll bereits im Oktober 2006 im Handel sein. Das Mammutprojekt mit dem nüchternem Namen WP1.0 soll 100 Bände mit je 800 Seiten umfassen und innerhalb der nächsten vier Jahre abgeschlossen sein.
Ab Januar 2007 will Zenodot im Abstand von zwei Monaten jeweils einen weiteren Band herausgeben. Um das Projekt zu finanzieren, setzt der Verlag auf ein frühzeitiges Bestellmodel. Ambitionierte Wissenssammler können ab sofort das Gesamtwerk vorbestellen. Für sie kostet ein Band 14,90 Euro, für alle anderen 18,50 Euro. Noch ist die Mindestbestellzahl, die das Unternehmen wirtschaftlich rentabel machen, nicht erreicht. Der Verlag hofft aber, dass sich dafür "genügend begeisterungsfähige Menschen" finden.
Viereinhalb Regalmeter
Das gesamte Druckwerk wäre damit ab rund 1500 Euro zu haben. Das ist billiger als die gerade erscheinende 21. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie, aber teurer als die altehrwürdige Encyclopaedia Britannica. Der Umfang des Wikipedia-Werks lässt die etablierte Konkurrenz weit hinter sich. Die 800 Bände werden viereinhalb Regalmeter beanspruchen - ein komplettes "Billy-Regal" von Ikea. Wer gerade kein freies Regal hat, kann das Monumentalwerk auch einer sozialen Einrichtung spenden. Der Verlag verspricht, für jede Spende, eine weitere Ausgabe zu spenden.
Zenodot hat bereits Erfahrungen mit der Umsetzung von digitalen Beiträgen in Printprodukte. Ende 2005 hat er damit begonnen, Taschenbücher zu Einzelthemen herauszugeben, die auf Wikipedia-Artikeln basieren.
Um die riesigen Textmengen zu verarbeiten, ist der Verlag auf die Mithilfe der Wikipedia-Community angewiesen. Die engagierten Freiwilligen sollen die rund 350.000 Beiträge noch einmal durchgehen und alphabetisch sortieren. Zenodot selbst stellt 25 zusätzliche Mitarbeiter ein, die die digitalen Inhalte in eine druckbare Endform bringen. Ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat von Fachleuten soll die Qualität der Inhalte überprüfen und absichern.
Wikipedia ist anders
Und wer soll das Werk kaufen? Die Zielgruppe ist eine andere als die Nutzer der Online-Enzyklopädie. Das Wissen soll auch denjenigen zugänglich gemacht werden, die über keinen Internet-Anschluss verfügen. Im Gegensatz zum flüchtigen weltweiten Netz, soll mit der Druckversion Wissen dauerhaft konserviert werden. Und es gibt noch einen weiteren Grund für den Druck. Denn auch in gedruckter Form wird sich die Wikipedia-Enzyklopädie von herkömmlichen Nachschlagewerken unterscheiden, weil sie einen völlig anderen Hintergrund hat: Ihren Inhalt bestimmt kein abstrakter Wissenskanon, sondern die Summe zahlreicher Spezialkenntnisse.
Aber gerade darin liegt die Besonderheit von wikipedia.de. Alle Artikel werden laufend bearbeitet und aufbereitet. Jede noch so abseitige Wissensnische wird von interessierten Spezialisten kommentiert und erläutert. Kurz: Eine Enzyklopädie so komplex wie die Welt, die sie beschreibt.
Ob das analoge Druckprojekt ebenso erfolgreich sein wird, zeigt die Zukunft. Spannend ist das Unternehmen schon heute.