Onlineberatung Anonymität macht Seelsorge per Internet attraktiv

Kein Dorftratsch, kein Klatsch unter den Bekannten - wer sich mit persönlichen Problemen an Beratungsstellen im Internet wendet, bleibt anonym. Eine Eigenschaft, die Onlineseelsorgern jede Menge Arbeit verschafft.

Die niedrige Hemmschwelle und die Anonymität macht die Seelsorge per Internet attraktiv. "Das Internet hat den Vorteil, dass nicht das ganze Dorf von dem Problem weiß oder sich meine Bekannten das Maul darüber zerreißen", sagte Diakon Uwe Holschuh, Gründer von kummernetz.de, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zudem würden Probleme relativ früh angesprochen, wenn sie noch zu beheben seien. "Wer mit Beziehungsproblemen zu einer Beratungsstelle geht, macht das meist erst dann, wenn es schon fast zu spät ist."

Dabei stehe bei der Internetseelsorge nicht die herkömmliche Beratung im Vordergrund. "Zuhören, Nachfragen und sich dem Menschen zuwenden ist wichtiger", sagte der Internetbeauftragte des Bistums Würzburg. Rund einen Monat lang steht einer der bundesweit 60 hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Berater mit dem Rat Suchenden in E-Mail-Kontakt. 98 Prozent der Kontakte liefen über dieses Medium. "Es gibt aber auch die Möglichkeit zum persönlichen Chat, oder sich in einem Forum mit anderen Betroffenen auszutauschen", sagte Holschuh.

Kein Therapieersatz

Rund 1800 Menschen besuchen täglich die Seite von kummernetz.de. Mit rund 890 von ihnen wurde von September 2004 bis September 2005 ein Dialog eröffnet. Insgesamt 2751 E-Mails wurden verschickt. Am häufigsten suchen Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen oder Beziehungsproblemen Rat. Eine Therapie im herkömmlichen Sinn biete kummernetz.de aber nicht. "Es ist eher eine Hilfe zur Selbsthilfe", sagte Holschuh. Einem gewissen Anteil, etwa 13 Prozent, werde aber nach den E-Mail-"Gesprächen" empfohlen, eine Beratungsstelle aufzusuchen oder eine Therapie zu beginnen.

Dass die Menschen anonym Rat bei Fremden in der Internetseelsorge suchen, beruhe zum Teil auf einem gesellschaftlichen Problem. "Die Kontakte werden oberflächlicher und die Zahl der vertrauensvollen Personen in der direkten Umgebung nimmt ab", sagte Holschuh. Man könne sich häufig nicht mehr auf die Verschwiegenheit verlassen.

Rund 80 Prozent der Rat Suchenden sind Frauen. "Sie sind eher bereit, über ihre Probleme zu reden", sagte der Diakon. Vor allem Jugendliche und Erwachsene bis 35 Jahre (80 Prozent) nutzten die Internetseelsorge. Rund ein Fünftel der Menschen, die sich vom Bistum Würzburg online beraten lassen, sind bekenntnislos. "Das liegt wohl daran, dass wir nicht von Gott und Jesus reden, sondern den Leuten tatsächlich helfen wollen. Ohne Hintergedanke, sie in die Kirche zu locken."

DPA
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