Schifffahrtstechnik Riesige Lenkdrachen sollen Schiffe ziehen

Windkraft ist in der kommerziellen Schifffahrt out. Hohe Ölpreise und die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe lassen jedoch über eine neue Chance für den Windantrieb nachdenken.

Mit der Kraft des Windes fuhren Schiffe Tausende von Jahren, bis die Segel von Motoren abgelöst wurden. Hohe Ölpreise und die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe lassen aber über eine neue Chance für den Windantrieb nachdenken. Der Wirtschaftingenieur Stephan Wrage tüftelt seit drei Jahren an seinem Projekt "SkySails": Lenkdrachen bis zu Fußballfeldgröße sollen Schiffe übers Wasser ziehen und so Treibstoff sparen. Die einen Reeder nennen das Spinnerei, andere sprechen von einer genialen Idee - und investieren Geld und Know-How in das Drachensegel.

Enorme Einsparpotenziale vorhergesagt

"Bis zu 50 Prozent Treibstoffkosten können eingespart werden, oder die Schiffe fahren 10 Prozent schneller", sagt Wrage. Die Kosten für den Drachen, je nach Größe zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Euro, amortisierten sich innerhalb von zwei Jahren, verspricht er. Immerhin würden bis zur Hälfte der Schiffbetriebskosten für den Treibstoff aufgewendet - je nach Typ, Leistung und Geschwindigkeit seien das laut Wrage bis zu 10 Millionen Euro im Jahr pro Schiff. Auch die Umwelt profitiere von einer Reduzierung des Schwerölverbrauchs. Noch stoße die Welthandelsflotte wissenschaftlichen Studien zufolge so viel klimaschädliche Treibhausgase aus, wie die gesamten USA.

Wie kriegt man die Drachen wieder zurück?

An mehreren hundert Meter langen Seilen soll der Drachen vor Frachtschiffe gespannt werden. Je nach Windrichtung regelt eine Steuereinheit die Position des Drachens automatisch. Mittlerweile arbeitet der 31-Jährige im Hamburger Hafen mit einem mehrköpfigen Team an dem Projekt, das bisher schon drei Millionen Euro an Entwicklungskosten verschlungen hat. "Das größte Planungsrisiko ist bisher noch das Bergen und Setzen". Wichtig sei daher, alles genau zu testen. Gerade war Wrage mit einem acht Meter langen Modellschiff der Hamburgischen Schiffbauversuchsanstalt für Tests an der Ostsee.

Ideen, den Wind wieder für die Handelsschifffahrt zu nutzen, gab es auch in unserer Zeit schon viele. Unter dem Namen Indosail wurde zum Beispiel ein Windantriebs-Projekt der Kieler Lindenau-Werft bekannt. Die computergesteuerte Konstruktion sollte auf einer festen Route im indonesischen Raum eingesetzt werden. Das war zu Zeiten der hoher Ölpreise Anfang der 80er Jahre.

Manövrierfähigkeit des Schiffs muss gesichert sein

"Dann ging der Ölpreis wieder runter, und die Reederei nahm Abstand von dem Projekt", erinnert sich der Geschäftsführer der Werft, Dirk Lindenau. Neben der Abhängigkeit von dem Ölpreis sieht Ralf Sören Marquard vom Verband für Schiffsbau und Meerestechnik (VSM) sieht noch "eine Reihe von praktischen Problemen, bis so etwas auf den Markt kommt." Beispielsweise müsse die Manövrierfähigkeit des Schiffes gesichert sein. Aufbauten wie Segel, Masten oder Rotoren dürften nicht beim Be- und Entladen stören. Gegenwind würde auch von zusätzlichen Personalkosten kommen.

Skepsis bezüglich der Wirtschaftlichkeit

In Fragen der technischen Sicherheit kooperiert SkySails mit dem Germanischen Lloyd in Hamburg, einer der großen Prüfgesellschaften für Schiffssicherheit. "Die technischen Probleme sind immer lösbar", sagt der Leiter des Bereichs Schiffbau, Wolfgang Fichelmann. "Die Frage ist eher, wie wirtschaftlich das ist". Die Verfügbarkeit des Windes als Antriebskraft sei wegen wechselnder Richtung und Stärke unsicher. Beim Institut für Schiffsbetriebsforschung in Flensburg sieht man die Windkraft in der Handelsschifffahrt noch skeptischer: "Wo alles auf die Stunde genau getimed ist, da passen Segel nicht recht in die Zeit", sagt Dieter Grote.

Wrage setzt den Skeptikern entgegen, mit neuen Routing- und Wettervorhersage-Programmen zu arbeitet. Für die Vorfinanzierung hat er den Schiffsfinanzierer Oltmann Gruppe aus Leer gewonnen. "Das wird eine Weltsensation, wenn es klappt", sagt Geschäftsführer Jan Luiken Oltmann. Angesichts steigender Ölpreise tue sich ein Weltmarkt auf. Demnächst will Oltmann Beteiligungen für Privatanleger ab 50.000 Euro anbieten. Er räumt aber ein: "Es ist eine Risikobeteiligung."

"Eine Attraktion für Gäste"

Überzeugt hat SkySails schon mal die Reederei Briese mit mehr als 55 See-Schiffen. "Es wird noch fünf bis acht Jahre dauern, bis alle technischen und rechtlichen Fragen geklärt sind", vermutet Geschäftsführer Roelf Briese. Irgendwann will er die Drachen dann auf kleinen Frachtschiffen in windreichen Gebieten einsetzen. "Und in der Passagierschifffahrt. Das wird eine Attraktion für die Gäste sein."

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Nadine Schwede, DPA

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