Liebe stern-Leser!
Beim zweiten TV-Schaukampf am kommenden Sonntag wird ein schärferer Wind durchs Studio fegen. Aus den Fehlern der ersten Runde haben die Kombattanten gelernt. Stoiber will direkter auf den Kanzler eingehen, kündigt er im stern-Interview an (Seite 32 der Printausgabe). Und Schröder wird sich bemühen, deutlich lebendiger „rüberzukommen“, und den Kandidaten ordentlich rupfen. Allerdings: Die Sachargumente sind weitgehend ausgetauscht, im Parlament und auf unzähligen Wahlkampfbühnen, jetzt geht es um Personen. Letztlich wollten doch auch in der ersten Runde viele Zuschauer nur wissen: Bricht Stoiber ein? „Äht“ er sich um Kopf und Kragen? Macht er sich zum Gespött? 15 Millionen schauten den beiden Polit-Kämpfern bei RTL und Sat1 zu – drei Tage später, als in der „Berliner Runde“ des ZDF Angela Merkel, Joschka Fischer, Guido Westerwelle, Gabi Zimmer und Horst Seehofer wirklich um politische Inhalte stritten, saßen gerade noch 3,28 Millionen vor dem Fernseher. Machen wir uns nichts vor: Reges Interesse an Außen-, Renten- oder Gesundheitspolitik erblüht mit den Fernseh-Duellen nicht. Aber immerhin: Die TV-gerechte Zuspitzung auf zwei so unterschiedliche Rivalen hat offenbar die Politikmüden in diesem Land mobilisiert. Wenn sich viele schon nicht für Politik interessieren, dann doch für die beiden wichtigsten Politiker in diesem Land! Das ist schon was. Es begann mit einem Foto des strahlenden World Trade Center, das Michael Shulan auf einem New Yorker Flohmarkt gekauft hatte. Im August 2001. Ein paar Tage nach dem Anschlag hängte der Schriftsteller das Bild in das Fenster des leer stehenden Shops in seinem Haus. Einfach so. Schnell bildete sich vor dem kleinen Laden in der Prince Street, 15 Blocks nördlich von Ground Zero, eine Menschentraube. Die Passanten starrten auf die Türme, die noch standen. Und bei Shulan und drei Freunden entstand die Idee, eine Benefizausstellung zu organisieren. Mit Fotos, die das Grauen in den Stunden und Tagen nach dem ersten Einschlag von Flug American Airlines 11 in den Nordturm festhalten. Gesammelt bei Privatleuten und professionellen Fotografen. Schon am 25. September konnten die vier ihre traurige Galerie eröffnen. Drei Wochen sollte die Ausstellung laufen. Aber der Ansturm war so gewaltig, dass Monate daraus wurden und die Zahl der Bilder auf 5000 wuchs. Daraus entstand ein Buch („Here is New York“), 500 Fotos werden weltweit gezeigt, jetzt auch in Deutschland. Wir haben einige der bewegendsten Bilder für unsere Titelgeschichte ausgewählt (Seite 74 der Printausgabe). Lesen Sie dazu das Protokoll der Ereignisse im World Trade Center zwischen Einschlag der ersten Maschine und Einsturz der Türme: 102 Minuten, in denen die Menschen um ihr Leben kämpften und Tausende starben.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold